Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos
war.
Tesla-Code geknackt , stand da zu lesen.
Wissenschaftlern des Fraunhofer Instituts Stuttgart gelang es erstmalig, den legendären Steuercode des Physikers Nikola Tesla aus dem Jahre 1890 zu knacken. Tesla, der neben Isaac Newton und Albert Einstein zu den gröÃten Genies des vergangenen Jahrtausends zählte, entwickelte den Steuercode für sein Robotermodell Heron auf der Basis der sogenannten Riemannâschen Vermutung â eines bislang ungelösten mathematischen Rätsels, an dem sich bereits Generationen von Wissenschaftlern die Zähne ausgebissen haben. Vor zwei Wochen jedoch gelang einer Gruppe von Mathematikern der entscheidende Durchbruch. Mit dem Knacken des Tesla-Codes ist es jetzt erstmals möglich, die komplizierten Rechenvorgänge im Inneren des Automaten zu verstehen und zu simulieren. Er könnte damit zum Urvater einer ganzen Generation künstlicher Intelligenzen werden.
Humboldt schlug das Buch zu. »Das ist ja ungeheuerlich«, sagte er.
»Heron? Ist das nicht der kleine Blechmann, den wir bei Tesla in Paris gesehen haben?«
Der Forscher nickte. »Ich habe bei Nikola Tesla angefragt, ob er ihn mir schicken kann«, sagte er mit leiser Stimme. »Mein Gedanke war, dass uns der kleine Roboter bei einigen Problemen helfen könnte, die beim Bau des Zeitschiffs aufgetreten sind. Aber diese Anfrage kann ich jetzt wohl zurückziehen â¦Â«
»Du baust also wirklich ein Zeitschiff?« Jetzt erst dämmerte es Oskar. Der Schuppen im Wald, die geheimen Lieferungen, die seltsamen Geräusche â¦
»Die Sache ist streng geheim«, sagte Humboldt. »Ich hätte euch zur rechten Zeit informiert, das dürft ihr mir glauben.«
»Ich dachte, du wolltest die Forschung daran nicht weiter fortsetzen«, platzte Charlotte heraus. »Du hast gesagt, es sei auf Dauer zu gefährlich.« Sie verschränkte die Arme. »Nachdem ich deinen Artikel in der Popular Science letzten Monat gelesen habe, dachte ich, du wärst mit dem Thema durch.«
Humboldt zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Ich bin eben Wissenschaftler, Charlotte. Eigentlich hatte ich mir geschworen, die Zeitreise nicht weiter zu verfolgen. Die Risiken sind einfach zu groÃ. Doch die vielen Gespräche mit meinem Partner und Kompagnon Julius Pfefferkorn lieÃen mich zu der Erkenntnis kommen, dass es vielleicht doch einen Weg gäbe, vorausgesetzt, man versteht das Gerüst der Zeit und beschränkt sich auf Beobachtungen. Dass ich es nun selbst bin, der dadurch die Geschichte verändert, ist zutiefst erschreckend. Es bedeutet, dass ich doch recht hatte mit meinen Befürchtungen und dass ich die Maschine niemals hätte bauen dürfen.«
Er schlug mit der Hand auf den Tisch.
»Ich wünschte, mein anderes Ich hätte uns mehr Zeit gegeben. Ein Tag für die Vorbereitungen zur Verhinderung des Attentats ist verdammt wenig.«
Charlotte durchwühlte die Dokumente und sah sich all die Einzelskizzen an. »Ich frage mich, warum er es nicht selbst gemacht hat. Warum hat dein zukünftiges Ich nur alles dokumentiert, anstatt es zu verhindern?«
Humboldt schüttelte den Kopf. »Ich glaube, es war ihm zu riskant. Stell dir vor, er wäre bei dem Versuch verhaftet worden. Und stell dir vor, das Zeitschiff wäre entdeckt worden und in die falschen Hände gefallen. Dann wäre alles umsonst gewesen. Nein, nein. Es war schon richtig von ihm, nur zu beobachten und nicht selbst in den Lauf der Geschichte einzugreifen. So konnte er die Gefahr auf ein Minimum reduzieren. AuÃerdem musste er ja erst mal herausbekommen, wo der Attentäter steht, welche Waffe er benutzt und so weiter.«
Er strich mit den Fingern über seine Stirn. »Ihr seht, wie kompliziert das alles ist. Das ist genau der Grund, warum ich mich so lange davor gescheut habe, die Forschungen an diesem Thema voranzutreiben. Und paradoxerweise läuft uns jetzt die Zeit davon. Wir müssen uns beeilen. Wir müssen Pläne machen, Strategien entwickeln und MaÃnahmen ergreifen. Wir müssen alle Eventualitäten durchdenken. Morgen früh um zehn Uhr schlägt uns allen die Stunde. Uns, dem Kaiser und der gesamten Menschheit.«
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Berlin, Samstag, 5.  Juni 1895 â¦
F ritz Ferdinand von der Berliner Morgenpost wurde vom Läuten der Glocke des nahe gelegenen Berliner Doms in seinen Vorbereitungen aufgeschreckt. Er zählte im Geiste mit und
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