Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
Vom Netzwerk:
im Mikrowellenherd auf – diese würde sie selbst essen. Catherine hielt wenig von Schnellgerichten, vor allem nicht für Gäste. Sie hielt auch nichts von gebratenem Huhn, aber es ging schnell und war gerade vorhanden.
    Sie deckte den Tisch für zwei Personen. Das Esszimmer war geräumig und viktorianisch eingerichtet. Grandma Peggys Kuckucksuhr hing über einem Schrank mit blauem Wedgwoodgeschirr. Catherine setzte die Kaffeemaschine in Gang und servierte das Essen auf dem billigen Geschirr, das sie in einem Laden in Belltower gekauft hatte. Irgendwie erschien es ihr falsch und stillos, von Grandma Peggys Geschirr zu essen, wenn die alte Frau nicht im Haus war. Archer brachte seine beiden Souvenirs, das Notizbuch und die New York Times, an den Tisch. Aber er legte beides neben seinen Teller und machte ihr ein Kompliment über ihre Kochkünste.
    Catherine kostete von ihrem Hühnerfleisch. Es schmeckte nicht besonders.
    Sie ließ die Hand mit der Gabel sinken. »Nun, in was sind wir da hineingeraten?«
    Archer brachte ein Lächeln zustande. »In etwas absolut Unerwartetes. Etwas, das wir nicht begreifen.«
    »Sie klingen, als gefiele Ihnen die Geschichte.«
    »Tatsächlich? Irgendwie ist es auch so. Es bestätigt in gewisser Weise einen Verdacht, den ich hatte.«
    »Einen Verdacht?«
    »Dass die Welt viel seltsamer ist, als sie sich dem Auge darbietet.«
    Catherine dachte darüber nach. »Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen. Als ich achtzehn war, fing ich mit Jogging an. Am liebsten war ich immer an besonders dunklen Winterabenden unterwegs. Ich liebte all die erleuchteten Fenster in den Häusern. Es war ein seltsames Gefühl, der einzige Mensch draußen auf der Straße zu sein und seinen Atem als weiße Wolke zu sehen. Ich stellte mir dann immer vor, dass alles Mögliche passieren konnte, dass ich zum Beispiel um irgendeine Ecke bog und plötzlich in Oz stünde. Und niemand wusste es – vor allem die Menschen, die hinter den erleuchteten Fenstern schlafwandelten, würden es nie erfahren. Ich wüsste, was für eine Welt es war. Sie nicht.«
    »Genau«, pflichtete Archer ihr bei.
    »Aber es gab kein Oz. Sondern nur eine andere dunkle Straße.«
    »Bis heute.«
    »Ist das Oz?«
    »Es könnte durchaus sein.«
    Sie nickte zustimmend. »Schon möglich. Aber wir können es wohl niemandem erzählen, nicht wahr?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Und wir müssen morgen früh dorthin zurück.«
    »Ja.«
    »Wir können es nicht einfach vergessen und weggehen. Er braucht unsere Hilfe.«
    »Ich denke schon.«
    »Aber was ist er?«
    »Na ja, ich glaube, er hat uns die Wahrheit gesagt, Catherine. Er ist wohl ein Zeitreisender.«
    »Ist so etwas möglich?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht. Ich schließe schon lange keine Wetten mehr darauf ab, was möglich ist und was nicht.«
    Sie deutete auf das Notizbuch und die Zeitung. »Was haben Sie gefunden?«
    »Beides gehörte Tom Winter, zumindest nehme ich das an. Sehen Sie.«
    Sie schob ihren Teller mit dem Hühnerfleisch beiseite und betrachtete die Zeitung.
    Sonntag, 13. Mai 1962. Die abendliche Stadtausgabe.
    U.S. KRIEGSSCHIFFE MIT 1800 MARINEINFANTERISTEN UNTERWEGS NACH INDOCHINA: LAOS VERHÄNGT AUSNAHMEZUSTAND ... ÄRZTE VERPFLANZEN MENSCHLICHE HERZKLAPPE ... KIRCHE IN SPANIEN UNTERSTÜTZT ARBEITER IM KAMPF UM STREIKRECHT
    Die Titelseite war vergilbt – aber nur ein wenig.
    »Sehen Sie mal in das Notizbuch«, forderte Archer sie auf.
    Sie blätterte darin herum. Die Eintragungen füllten nur die ersten drei Seiten. Der Rest des Buchs war leer.
    Dringende Fragen, lautete die Überschrift.
    Du könntest das Ganze auf sich beruhen lassen , hieß es weiter.
    Es ist gefährlich, und du könntest die Finger davon lassen.
    Jeder andere Mensch auf der Erde wird Stunde für Stunde weiter in die Zukunft gestoßen, aber du brauchst das nicht mitzumachen. Du hast eine Hintertür gefunden.
    Was war vor dreißig Jahren? , las Catherine. Sie haben die Bombe. Denk daran. Sie haben Umweltverschmutzung. Sie haben Rassismus, Ignoranz, Verbrechen, Hunger ...
    Hast du wirklich Angst vor der Zukunft?
    Ich gehe ein einziges Mal zurück. Wenigstens, um mich umzusehen. Um wirklich dort gewesen zu sein. Wenigstens einmal.
    Sie sah Doug Archer an. »Es ist eine Art Tagebuch.«
    »Aber ein sehr kurzes.«
    »Von Tom Winter?«
    »Darauf würde ich wetten.«
    »Was hat er getan?«
    »So wie es aussieht, hat er sich ganz schön in die Scheiße geritten. Aber das bekommen wir schon noch heraus.«
    Erst später kam

Weitere Kostenlose Bücher