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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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abgeschlossen zu haben. Er hat mich um Hilfe gebeten. Vielleicht hätte ich in diesem Moment noch weggehen können. Aber ich habe es nicht getan. Ich bin zurückgekommen. Es ist genauso, als hätte ich versprochen, okay, ich helfe Ihnen.«
    »Sie haben geholfen.«
    »Aber nicht nur dadurch, dass ich ihn ins Haus getragen habe. Das ist nicht alle Hilfe, die er braucht. Erkennen Sie das denn nicht?«
    »Doch.« Archer nickte. »Das erkenne ich schon.«
    Sie bereitete eine Mahlzeit aus Krabben und Salat zu. Archer hasste Krabben – seine Mutter kaufte immer billiges Krabbenfleisch und Hummer von einem Fischerboot draußen bei der Veteranenstation –, aber er beobachtete lächelnd ihre Bemühungen. »Sie sollten mich irgendwann mal für Sie kochen lassen«, sagte er.
    Sie nickte. »Das fände ich nett. Irgendwie ist das Ganze schon komisch. Wir kennen uns kaum, aber wir pflegen diese ... Person aus einer Zeitmaschine.«
    »Wir kennen uns doch ganz gut«, widersprach Archer. »So viel gibt es doch gar nicht kennenzulernen. Ich bin ein verkrachter Immobilienmakler, und sie sind eine mäßig erfolgreiche Künstlerin aus Seattle, die ihre Großmutter vermisst, weil sie niemals eine richtige Familie gehabt hat. Wir wissen beide nicht, was wir weiterhin mit unserem Leben anfangen sollen, und wir sind einsamer, als wir zuzugeben bereit sind. Mehr gibt es doch dazu nicht zu sagen, oder?«
    »Gar nicht schlecht erkannt.« Sie lächelte ein wenig wehmütig und öffnete eine Flasche Wein.
    In der darauffolgenden Nacht ging sie mit ihm ins Bett.
    Das Bett war ein knarrendes, mit Pfosten versehenes antikes Stück in einem Raum, den Catherine Gästezimmer nannte und der sich im ersten Stock befand. Die Laken waren alt, dünn, fein und kühl. Sie versanken in der Matratze wie in einem Ozean.
    Catherine war schüchtern und aufmerksam. Archer war tief bewegt von ihrem Eifer, ihm entgegenzukommen, und er gab sich Mühe, sich entsprechend zu revanchieren. Archer hatte niemals viel von kurzen, einmaligen Gastspielen gehalten. Guter Sex, wie alles andere Gute, erforderte Übung und Lernen. Aber Catherine war sehr leicht zu verstehen, und sie kamen zusammen wie ein altes, vertrautes Paar. Es war auf jeden Fall, so dachte Archer, ein verdammt schöner Anfang.
    Nun trieb Catherine neben ihm in den Schlaf hinüber, während Archer wach dalag und auf die Stille lauschte. Hier oben an der Post Road war es sehr ruhig. Zweimal hörte er draußen einen Wagen vorbeifahren – offenbar jemand aus dem Ort, der erst spät nach Hause kam, oder ein Tourist auf der Suche nach dem Highway.
    Wichtige Fragen waren entstanden, die beantwortet werden mussten, dachte er. Archer ließ sich das Wort »Zeit« durch den Kopf gehen und überlegte, wie seltsam und einsam er sich dabei fühlte. Als er noch ein Kind gewesen war, fuhr seine Familie immer mit ihm zur Ranch seines Onkels bei Santa Fe in New Mexico. Dort gab es nur Schotterstraßen und die Sangre-de-Christo-Berge in der Ferne, Krüppelkiefern und Salbeibüsche und uralte Pueblos. Das Wort »Zeit« weckte in ihm die gleichen Empfindungen wie diese Wüstenstraßen. Er kam sich vor, als habe er sich in etwas verirrt, das zu groß, zu riesig war, um es zu begreifen. Durch die Zeit zu reisen, dachte Archer, musste genauso sein wie eine Fahrt über diese Straßen. Seltsame Felsformationen und Staubteufel und ein leerer Horizont, wohin man schaute.
    Als er erwachte, stand Catherine neben dem Bett und zog sich an. Er wandte sich rücksichtsvoll ab, als sie in ihr Höschen schlüpfte. Archer fragte sich manchmal, ob irgendetwas mit ihm nicht stimmte, wenn er sah, mit welch zweifelndem Ausdruck Frauen ihn morgens zu betrachten pflegten. Aber dann stand er auf und zog sie an sich und spürte, wie sie sich in seinen Armen entspannte. Sie waren demnach immer noch Freunde.
    Aber irgendetwas war heute anders, und das kam nicht nur daher, dass sie in der vergangenen Nacht miteinander geschlafen hatten. Etwas an diesem ganzen Projekt war nun weniger rätselhaft, dafür aber ernsthafter geworden. Sie wussten es, ohne miteinander darüber gesprochen zu haben.
    Nach dem Frühstück wanderten sie hinunter zum Winter-Haus, um Ben Collier zu besuchen.
    Die Steaks aus dem Safeway hatten ihm gutgetan. Ben saß an diesem Morgen aufrecht im Bett und hatte die Decken um seine Taille drapiert. Er sah so fröhlich aus wie ein Buddha, dachte Archer. Aber am Faltenwurf der Laken war zu erkennen, dass sein Bein immer noch fehlte.
    Archer

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