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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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Catherine die nächstliegende Frage in den Sinn: Vielleicht sind auch wir ganz schön in die Scheiße geraten.
    Archer schlief auf dem Sofa. Am nächsten Morgen rief er in der Immobilienagentur an und erklärte, er sei krank. »Nicht so gut«, sagte er. »Das stimmt. Jawohl. Ich weiß. Ich weiß. Klar, das hoffe ich auch. Danke.«
    Catherine sah ihn fragend an. »Bekommen Sie keine Schwierigkeiten?«
    »Ich verliere wohl ein paar Provisionen.«
    »Geht das denn?«
    »Ich denke schon. Ich hab auch noch andere Eisen im Feuer.« Er grinste sie an – ein bisschen zu wild für Catherines Geschmack. »Hey, hier finden gerade Wunder statt. Sind Sie deswegen denn überhaupt nicht aufgeregt?«
    Sie lächelte schuldbewusst. »Ich glaube schon.«
    Dann fuhren sie zum Safeway-Supermarkt und besorgten fünf tiefgefrorene T-Bone-Steaks für Ben, den Zeitreisenden.
    Archer suchte eine Woche lang das Haus jeden Tag auf, manchmal zusammen mit Catherine und manchmal ohne sie. Er brachte Nahrung, die der Zeitreisende niemals in seiner Gegenwart zu sich nahm; vielleicht absorbierten die Maschinenkäfer sie und führten sie ihm auf direkterem Weg zu. Er wollte die Einzelheiten gar nicht wissen.
    Jeden Tag wechselte er einige Worte mit Ben.
    Es wurde zunehmend einfacher, ihn als »Ben« zu sehen, als etwas Menschliches und nichts Monströses. Die Bettlaken verhüllten seine Deformierungen zum größten Teil, und die weiße, schuppige Haube, wo seine Schädeldecke eigentlich hätte sein müssen, hatte am dritten Tag so viel Pigmente gebildet, dass man sie als menschliche Haut bezeichnen konnte. Archer hatte zuerst vor den Maschinenkäfern überall im Haus Angst gehabt, doch sie kamen ihm niemals zu nahe und stellten auch keine Bedrohung dar. Daher fing Archer an, Fragen zu stellen.
    »Wie lange waren Sie in dem Schuppen?«
    »Etwa zehn Jahre.«
    »Waren Sie die ganze Zeit in diesem verletzten Zustand?«
    »Die meiste Zeit war ich tot.«
    »Klinisch tot.«
    Ben lächelte. »Mindestens.«
    »Was ist mit Ihnen passiert?«
    »Ich wurde ermordet.«
    »Was hat Sie gerettet?«
    »Sie waren es.« Die Maschinenkäfer.
    Oder er erkundigte sich nach Tom Winter. »Was ist mit ihm geschehen?«
    »Er ist irgendwo hingegangen, wo er nicht hätte hingehen sollen.«
    Das klang irgendwie seltsam. »Hat er eine Zeitreise unternommen?«
    »Ja.«
    »Lebt er noch?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Kurze Fragen, kurze Antworten. Archer beließ es dabei. Er versuchte, ein Gefühl dafür zu bekommen, wer diese Person in Wirklichkeit war – wie gefährlich oder wie vertrauenswürdig. Und er spürte, dass Ben ähnliche Urteile über ihn fällte, vielleicht auf eine etwas genauere oder sicherere Art und Weise.
    Catherine schien darüber nicht sehr überrascht zu sein. Sie ließ Archer gelegentlich in ihrem Wohnzimmer schlafen. Sie nahmen gemeinsam das Abendessen und das Frühstück ein, unterhielten sich manchmal über diese seltsamen Vorgänge und manchmal nicht. Ebenso wie Archer schaute sie jeden Tag im Winter-Haus nach. »Wir sind wie Seelsorger«, sagte Archer. »Wir besuchen die Kranken.« Und sie entgegnete: »So kommt es einem vor, nicht wahr? Irgendwie seltsam.«
    Das war es, dachte Archer. Sogar sehr seltsam. Und dass es so seltsam war, stimmte ihn zufrieden. Er erinnerte sich, dass er mit Tom Winter darüber gesprochen hatte, über seine Überzeugung, dass eines Tages der Himmel aufreißen und Frösche und Ringelblumen auf Belltower herabregnen würden. (So ähnlich hatte er sich ausgedrückt.) Und nun war das auf eine gewisse Art und Weise tatsächlich geschehen, und es war ein Geheimnis, das er nur mit Catherine Simmons teilte und vielleicht auch mit Tom Winter, wohin Tom auch verschwunden sein mochte. Er hatte den absoluten Beweis, dass die normale Welt überhaupt nicht normal war ... dass Belltower eine Art Massenhalluzination war, eine Normalität vorgaukelnde Bühne, die über einer wilden, fremdartigen Landschaft errichtet worden war.
    »Aber auch gefährlich«, widersprach Catherine, als er ihr das mitteilte. »Wir wissen es ja gar nicht. Irgendetwas Furchtbares ist Ben zugestoßen. Er wurde beinahe getötet.«
    »Wahrscheinlich gefährlich«, gab Archer zu. »Sie können gerne aussteigen, wenn Sie wollen. Verkaufen Sie das Haus und kehren Sie nach Seattle zurück. Dort dürften Sie in Sicherheit sein.«
    Sie schüttelte den Kopf mit einer Entschiedenheit, die er reizend fand. »Das kann ich nicht, Doug. Ich habe das Gefühl, einen Vertrag

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