Chronos
ohne eine Gewissenserforschung.«
»Aber Sie müssen doch ein eigenes Leben geführt haben. Es bedeutete doch, dass Sie irgendetwas aufgeben mussten.«
»Nicht so viel, wie Sie vielleicht annehmen. Ich war schon alt, Catherine. Ein alter Mann. Und Langlebigkeit ist so etwas wie eine Kunst in meiner Zeit. Ich war älter als ein Jahrhundert und begann zu versagen. Und ich fühlte mich sehr einsam.«
Er sagte das mit einem Ausdruck von Wehmut, sodass Catherine ihm glaubte. »Hat man Sie wieder jung gemacht?«
»Einigermaßen jung«, sagte Ben. »Jung genug, um ein neues Leben zu beginnen, wenn ich von hier weggehe.«
»Dürfen Sie das denn?«
»Ich bin Angestellter und kein Sklave.«
»Also«, fasste Catherine zusammen, »Sie wollen all diese Schäden reparieren. Sie wollen den Tunnel wieder in Gang setzen und irgendwann nach Hause zurückkehren.«
»Ja.«
»Ist das denn möglich? Können Sie ihn reparieren?«
»Die kybernetischen Helfer reparieren so viele Schäden wie möglich. Dann können wir die Verbindung mit Manhattan schließen, sie isolieren, bis sie dort genauso repariert werden kann. Aber das dauert einige Zeit. Mindestens ein paar Wochen.«
»Und bis dahin«, sagte Catherine, »heißt das Problem Tom Winter.«
»Möglich, dass er völlig sicher ist. Möglich aber auch, dass er es nicht ist. Die kybernetischen Helfer haben versucht, ihn zu warnen, aber sie sahen sich einem enormen Informationshindernis gegenüber – ich fürchte, sie waren nicht sehr präzise. Er könnte den Eindringling aufgescheucht haben, oder er tut es noch.«
Catherine biss sich auf die Lippe. Hier lag das eigentliche Problem. »Sie wollen, dass wir ihn zurückholen.«
Ben machte ein ernstes Gesicht. »Das ist wahrscheinlich in diesem Stadium nicht möglich. Die kybernetischen Helfer könnten eingreifen, und sie bieten vielleicht einen gewissen Schutz vor dem Eindringling, aber die Gefahr ist offensichtlich. Ich werde Sie nicht bitten, keinen von Ihnen.«
Sie brauchen gar nicht zu fragen, dachte Catherine traurig. Sie sah Doug Archer an und wusste Bescheid.
Archer grinste.
»Tom ist ein liebenswerter Hurensohn«, sagte er. »Ich denke, dass ich ihn hierher zurückholen kann.«
Doug ging in die Küche und ließ Catherine mit Ben allein.
Sie zögerte in der Türöffnung, verunsichert durch Bens ausdruckslose Geduld. Schließlich sagte sie: »Ist das wirklich nötig? Wenn Sie Tom Winter nicht zurückholen ... würde davon die Welt untergehen?« Sie fügte hinzu: »Ich glaube, Doug riskiert dabei sein Leben.«
»Ich werde alles tun, um das Risiko so gering wie möglich zu halten. Ein gewisses Restrisiko bleibt natürlich bestehen. Die Welt wird nicht untergehen, wenn Tom Winter in Manhattan bleibt ... aber es könnte andere Folgen geben. Ich kann es nicht mit Sicherheit vorhersagen.« Er hielt inne. »Catherine, Doug weiß, dass der Durchgang offen ist. Meinen Sie, er hält sich davon fern, wenn ich es von ihm verlange?«
»Nein ... ich glaube nicht, dass er das tun würde.« Catherine ärgerte sich darüber, aber sie begriff auch, dass es zutraf. »Auf diese Art und Weise erfüllt er wenigstens einen Zweck. Ist es das?«
»Dann«, sagte Ben, »wird er wohl zurückkommen.«
14
Tom schlief drei Stunden lang. Er wachte auf und fand Joyce neben sich. Aber er hatte das Gefühl, als hätte er sie bereits verloren.
Er telefonierte mit Max und sagte Bescheid, er komme nicht zur Arbeit. »Vielleicht bin ich am Samstag da und hole die verlorene Zeit nach.«
»Bist du krank?«, wollte Max wissen. »Oder führst du mich an der Nase herum?«
»Es ist wichtig, Max.«
»Wenigstens belügst du mich nicht. Sehr wichtig?«
»Sehr wichtig.«
»Hoffentlich. Das passt mir gar nicht.«
»Es tut mir leid.«
»Bring deine Angelegenheiten möglichst bald in Ordnung, ja? Du leistest gute Arbeit. Und ich habe keine Lust, schon wieder einen Neuen anzulernen.«
Das Problem war nicht Joyce. Das Problem lag in dieser empfindlichen Verbindung, die wahrscheinlich zerbrochen war.
Sie schlief noch, lag entspannt auf ihrer Seite des Bettes und hatte eine Hand unter ihr Kopfkissen geschoben. Das Baumwolllaken war zwischen ihre Beine gerutscht. Ihre Brille lag auf der Apfelsinenkiste neben dem Bett. Sie sah ohne die Brille nackt aus, wehrlos, zu jung. Tom betrachtete sie, trank Kaffee, bis sie einen unglücklichen Laut ausstieß und sich umdrehte.
Er wagte kaum, sich klarzumachen, was dies alles für sie bedeutete. Zuerst war da die
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