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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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wiederholt gesäubert worden. Das war nicht gerade Material vom Ghostbusters-Kaliber. Aber es war der Traum, der ihm im Bewusstsein haften blieb.
    Er sagte zu Archer, er erwarte ihn, und legte den Telefonhörer zurück auf die Gabel. Die Stille im morgendlichen Haus empfand er als geradezu physisch greifbar. Sie hallte in seinen Ohren wider. Er ging zur Küchentür, öffnete sie und wagte einen vorsichtigen Schritt nach draußen.
    Die Luft war frisch, der Himmel hell und klar.
    Tom hatte am Mittwoch bei Sears einen Motorrasenmäher gekauft, ohne ihn bisher benutzt zu haben. Das Gras war mittlerweile knöchelhoch. Er hatte für einen kurzen Moment Angst, seinen Fuß von der letzten Stufe nach unten zu setzen – ein flüchtiges Bild von metallisch glänzenden Insekten mit strahlenden, lauernden Augen huschte durch sein Bewusstsein. Möglich, dass sie noch immer da waren. Und dass sie ihn bissen.
    Er holte tief Luft und wagte den Schritt.
    Seine Fußgelenke juckten vor gespannter Erwartung ... aber in dem Gras und dem Unkraut war nichts Unheimliches, nur ein paar Ameisen und Blattläuse.
    Er ging zum nördlichen Teil des Gartens, durch den die Insekten in seinem Traum vom Haus zum Wald gezogen waren.
    Ihm war klar, dass er, indem er dort nach ihrer Spur suchte, gegen die allgemeine Auffassung verstieß, dass Träume notwendigerweise mit der normalen Welt nichts zu tun haben. Damit wurde eine weitere Stütze unter dem Gebäude seiner eigenen Normalität weggeschlagen. Tom war dazu übergegangen, seine Normalität als eines dieser für Südkalifornien typischen Häuser an Berghängen zu betrachten, die teilweise auf Pfählen standen – Häuser, wie sie bei schweren Unwettern vom Regen in den Ozean gespült wurden. Er untersuchte das hohe, dichte Gras, wo die Insekten anscheinend gewesen waren, aber zwischen den betauten Grashalmen und den befiederten Löwenzahnkugeln fand er nichts Ungewöhnliches.
    Er hätte nun beruhigt sein müssen. Stattdessen war er seltsamerweise enttäuscht. Enttäuscht, weil er irgendwo in den Tiefen seines Bewusstseins überzeugt gewesen war, dass der Traum der vergangenen Nacht kein gewöhnlicher gewesen war. Doch inwieweit er sich von gewöhnlichen Träumen unterschied, konnte er natürlich nicht sagen.
    Er ging bis zum Waldrand. In seinem Traum war dies die Stelle, wo die breite Kolonne helläugiger Insekten in den Mondschatten der Bäume eingetaucht war.
    Um diese frühe Morgenstunde drangen die Sonnenstrahlen nicht besonders tief in die Kiefernwälder an diesem nordwestlichen Teil der Pazifikküste ein. Ein Weg führte durch dieses Dickicht, doch er begann am gegenüberliegenden Gartenende. Hier gab es nur diese alten Bäume und das mit Farn durchsetzte Unterholz, den Geruch modernder Kiefernnadeln und die Nässe gesammelten Regenwassers. Die Grenze zwischen dem Wald und dem sonnendurchfluteten Garten hätte nicht deutlicher sein können. Er stützte sich mit den Händen gegen einen Baumstamm. Indem er sich vorbeugte, spürte er die kühle, nach Pilzen riechende Klammheit des Waldes in seinem Gesicht.
    Er wandte sich zum Haus.
    In seinem Traum waren die Insekten vom Haus zum Wald gewandert. Tom erreichte mit einigen Schritten die Hauswand, die ihm am nächsten stand. Es war eine ganz gewöhnliche Wand aus Holzbohlen, gut erhalten – die Farbe war nicht weggeplatzt oder hatte sich abgeschält –, aber kaum ungewöhnlich. Es war die Wand an der Stirnseite des großen Schlafzimmers, und sie war an dieser Stelle fensterlos.
    Aber wenn sein Traum kein Traum gewesen war, dann müsste es hier irgendeine Öffnung geben.
    Er ging in die Hocke und schob die hohen, Samen tragenden Grasbüschel vom Betonfundament weg, das an dieser Stelle einige Zentimeter aus der Erde ragte.
    Er hielt die Luft an, als er sah, was er freigelegt hatte.
    Der Beton war mit kleinen, makellos runden Löchern durchsetzt. Die Löcher waren alle gleich, ihr Durchmesser etwa so groß wie sein Daumenballen.
    Sein Fuß rutschte auf dem nassen Gras aus, und er landete unsanft auf dem Steißbein.
    Es mussten Dübel- oder Bolzenlöcher sein, dachte er. Irgendetwas war hier angebracht gewesen. Eine Veranda vielleicht.
    Aber die Löcher und ihre Ränder in dem kalkweißen, mit Wasserflecken übersäten Beton waren so glatt wie Glas.
    »Ich glaub, ich spinne«, sagte er laut.
    Er riss einen besonders langen Grashalm aus und führte ihn in eine der Öffnungen ein.
    Als würdest du mit einem Stock in einem Hornissennest herumstochern,

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