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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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Tom. Ziemlich dumm. Du weißt schließlich nicht, was sich dort verbirgt.
    Aber als er den Grashalm weiter hineinschob, traf er auf keinen Widerstand ... und erzielte keine Reaktion.
    Er bückte sich und blickte in die Öffnung. Er wagte sich dabei nicht sehr nahe an das Fundament heran, weil er trotz allem davon überzeugt war, dass eine dieser winzigen großäugigen Kreaturen in dem Loch hockte – dass sie Klauen und Zähne besaß und ein Giftorgan und ihm feindselig gesonnen war. Aber er beugte sich tief genug hinab, um den Geruch der fruchtbaren Erde wahrzunehmen, der vom feuchtem Gras aufstieg ... tief genug, um zu beobachten, wie ein Käfer an einem Distelblatt emporkrabbelte. Kein Licht drang aus den vielen Löchern im Fundament. Er glaubte, einen Lufthauch zu spüren, der nach Maschinenöl und schwach metallisch roch.
    Er stand auf und trat einen Schritt zurück. Was nun? Sollen wir den Kammerjäger rufen? Das Fundament sprengen? Archer davon erzählen?
    Nein, dachte Tom. Nichts von alledem. Noch nicht.
    Er erklärte Archer alles andere ganz genau – die gereinigten Teller, den Traum. Archer saß am Küchentisch, trank Pulverkaffee und folgte mit dem Fingernagel dem Verlauf der Holzmaserung.
    Als er sich erzählen hörte, kam Tom sich sehr dumm vor. Archer war die sprichwörtliche Normalität in einem karierten Holzfällerhemd und seiner Levi's. Er war durch die Sohlen seiner Basketballschuhe fest mit der Erde, auf der er stand, verwurzelt. Archer hörte geduldig zu, dann grinste er. »Das ist wohl das interessanteste Ereignis in dieser Gegend, seit Chuck Nixon eine fliegende Untertasse über der Müllverbrennungsanlage sichtete.«
    Typisch, dass er es so ausdrückte. Archer war schon auf der Sea View Elementary School eine wandelnde Legende gewesen – »ein erstklassiger Verdrussproduzent« hatte der Sportlehrer ihn einmal bei einer denkwürdigen Gelegenheit genannt. Genau deshalb habe ich ihn angerufen, dachte Tom. Ich halte ihn noch immer für jemanden, dem das Wort »Angst« fremd ist.
    »Ich meine es ernst«, sagte Archer. »Sie sind deshalb offenbar beunruhigt. Aber es ist wunderbar. Sehen Sie doch, da steht ein schlichtes kleines Haus im Wald, eine mickrige Holzhütte an der Post Road – entschuldigen Sie –, und plötzlich ist es viel mehr als nur das. Wissen Sie, was Kipling mal gesagt hat? ›In seinem Kopf entstand ein Riss, und ein wenig von der Unterwelt drang hervor ...‹«
    Tom zuckte innerlich zusammen. »Vielen Dank.« Von Kipling sollte das gewesen sein?
    »Missverstehen Sie mich nicht. Ich wäre aufrichtig enttäuscht«, sagte Archer, »wenn Sie verrückt wären. Verrücktheit ist ziemlich weit verbreitet. Sehr ...« Er suchte nach dem richtigen Wort. »Gewöhnlich, billig. Ich hoffe, dass das hier etwas mehr Klasse hat.«
    »Sie scheinen sich ja köstlich zu amüsieren.«
    »Es ist mein Hobby«, sagte Archer.
    Tom blinzelte. »Ihr was?«
    »Nun, wie soll ich es erklären ... Das Übernatürliche ist für mich so etwas wie ein Hobby. Ich bin eigentlich ein Skeptiker, müssen Sie wissen. Ich glaube nicht an Gespenster, ich glaube auch nicht an Ufos. So fanatisch bin ich gar nicht. Aber ich habe alle wichtigen Bücher darüber gelesen. Charles Fort, Jacques Vallee. Ich glaube nicht daran, aber ich habe mich vor langer Zeit dafür entschieden, dass ich mir wünsche, es wäre wahr. Ich möchte, dass es Frösche regnet. Ich möchte, dass Statuen aus Stein zu bluten anfangen. Ich wünsche es mir, weil ... es genauso wäre, als würde Gott sagen: ›Scheiß auf Belltower, Washington, hier ist ein Wunder.‹ Es würde bedeuten, dass auf den Asphaltflächen der Autoplätze da unten plötzlich Krokusse sprießen und Purpurwinden und den Verkehr für eine ganze Woche lahmlegen. Es würde bedeuten, dass wir eines Morgens aufwachen und feststellen, dass die Papierfabrik endlich zusammengebrochen ist. Die halbe Stadt wäre natürlich arbeitslos, aber wir könnten dann von Manna und Wein leben. Und niemand – absolut niemand – würde mit Grundstücken handeln.«
    Tom nickte. »Als ich zwölf Jahre alt war, betete ich immer, dass endlich der Atomkrieg ausbricht. Nicht etwa, damit Millionen von Menschen sterben. Sondern damit ich am nächsten Morgen nicht zur Schule gehen müsste.«
    »Genau! Alles läge in Trümmern. Das Leben würde in andere Bahnen gelenkt.«
    »Es wäre leichter.«
    »Es machte mehr Spaß! Ja.«
    »Schön. Aber würde es das wirklich? Ich bin dreißig Jahre alt, Doug. Ich bete

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