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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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hinein: gegrilltes Huhn, klebriges Kartoffelpüree, einen Klumpen »Dessert«.
    Er spülte den Behälter aus und warf ihn weg.
    Keine Arbeit für sie heute Nacht.
    Er schlüpfte in eine verwaschene Levi's und ein löcheriges Baumwollhemd und begab sich mit seinen neuen Werkzeugen hinunter in den Keller.
    Er identifizierte eine Trennwand, die quer durch den Keller verlief, und vergewisserte sich, indem er ihren Abstand zur Treppe maß, dass sie sich genau unter einer ähnlichen Wand befand, die das Wohn- vom Schlafzimmer trennte. Im Parterre maß er die Breite des Schlafzimmers bis zum nordöstlichen Hausende: sechs Meter fünfzig plus oder minus ein paar Zentimeter.
    Eine ähnliche Messung im Keller durchzuführen, war etwas schwieriger. Er musste auf Knien hinter die zerbeulte hintere Abschlussplatte der Kenmore-Waschmaschine kriechen und das Maßband mit einem Ziegelstein beschweren. Er führte drei Messungen durch und erhielt jedes Mal das gleiche Ergebnis.
    Die nordöstliche Wand des Kellers war mindestens einen Meter vom Rand des Fundaments entfernt eingesetzt worden.
    Er räumte zwei Kartons und ein Regal mit Waschpulver und Wäschebleiche beiseite, dann folgten die Regalbefestigungen. Als er damit fertig war, sah die Waschküche aus, als hätte dort eine Bombe eingeschlagen, aber die gesamte Wand lag frei. Es schien eine völlig normale Gipswand zu sein, die von Nägeln gehalten wurde und weiß gestrichen worden war. Der äußere Anschein kann täuschen, dachte Tom. Aber es wäre recht einfach, der Sache auf den Grund zu gehen.
    Mit Hammer und Meißel schlug er ein Stück aus der Wand heraus. Sie bestand tatsächlich aus Gips. Der weiße Staub rieselte auf ihn herab, während er arbeitete, und vermischte sich mit seinem Schweiß, bis er fast völlig weiß war. Genauso deutlich zu erkennen war der Hohlraum hinter der Wand, der zu tief war, als dass das Licht der Deckenlampe bis dorthin vordringen konnte. Mit dem Brecheisen hebelte er nun größere Stücke aus der Gipswand, bis er knöcheltief im Schutt stand.
    Er hatte eine Öffnung von ungefähr einem Meter Durchmesser geschaffen und wollte gerade eine Taschenlampe holen, um hineinzuschauen, als das Telefon summte.
    Zuerst hielt er das Geräusch für eine zornige Reaktion des Hauses selbst, einen Aufschrei der Entrüstung über diese Freveltat, die er begangen hatte. Seine Ohren rauschten von der Anstrengung der Arbeit, und es war leicht, sich das wilde Summen von Insekten vorzustellen, die Reaktion eines aufgescheuchten Bienenstocks. Er schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken zu vertreiben, und rannte nach oben zum Telefon.
    Er nahm den Hörer ab und hörte Doug Archers Stimme. »Tom? Ich wollte gerade auflegen. Was ist los?«
    »Nichts ... ich war unter der Dusche.«
    »Was ist mit dem Videoband? Ich hab den ganzen Tag darauf gewartet, dass Sie sich melden, Buddy. Was haben wir?«
    »Nichts«, erwiderte Tom.
    »Nichts? Nada? Null?«
    »Überhaupt nichts. Sehr peinlich für mich. Sehen Sie, es tut mir leid, dass ich Sie in die Sache mit hineingezogen habe. Vielleicht sollten wir das Ganze eine Zeit lang ruhen lassen.«
    Stille trat ein, dann räusperte Archer sich. »Ich kann nicht glauben, dass ich das aus Ihrem Mund höre.«
    »Ich glaube, wir haben uns gegenseitig ein wenig verrückt gemacht.«
    »Tom, ist bei Ihnen irgendetwas nicht in Ordnung? Gibt es Probleme?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Ich sollte wenigstens vorbeikommen, um den Videokram abzuholen ...«
    »Vielleicht am Wochenende«, sagte Tom.
    »Wenn Sie das wollen ...«
    »Ja, das will ich.«
    Er legte den Hörer auf.
    Wenn es einen Schatz geben sollte , dachte er, dann gehört er mir.
    Er ging wieder in den Keller.
    Das Haus summte und brummte um ihn herum.

 
    4
    Weil Montag war, weil sie ihre Arbeitsstelle bei Macy's verloren hatte, weil es ein kühler und zeitweilig regnerischer Frühlingstag war – und vielleicht auch, weil die Sterne oder das Kismet oder ihr Karma es so gewollt hatten –, blieb Joyce stehen, um den fremden Mann zu grüßen, der vor Kälte zitternd auf einer Bank im Washington Square Park saß.
    Die graue, nasse Dämmerung hatte jeden bis auf die Tauben vertrieben. Sogar der namenlose Achtzigjährige, der noch in der vergangenen Woche »Lyrik« auf Pappkartontafeln verkauft hatte, war weitergezogen oder gestorben oder in den Himmel aufgefahren. Sonst war der Platz mit Gitarrenspielern, Studenten von der NYU und halbwüchsigen Mädchen aus den Privatschulen in den

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