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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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uns nicht weiter, Tony.«
    Und Tony entgegnete: »Du musst die schärfste Partie im ganzen Staat Washingtons sein, Barbara, denn ich wüsste nicht, weshalb mein Bruder sonst wegen dir so verzweifelt sein sollte«, und legte auf. Barbara hatte nicht damit gerechnet, danach noch einmal etwas von ihm zu hören. Nur nackte Verzweiflung würde ihn dazu treiben.
    Und Verzweiflung war es vermutlich gewesen. Tonys zweiter Anruf – der von gestern – war zur Konferenz für Waldsterben und Umweltschutz in Victoria weitergeleitet und von einem der Mitglieder von World Watch, einer befreundeten Vereinigung, für die Barbara arbeitete, angenommen worden. Zuerst kam eine Warnung von Rachel, ihrer Mitstreiterin: »Barb, kennst du diesen Burschen wirklich? Er sagt, er sei ein Verwandter deines Ex. Er wisse, dass du für diesen Spinnerverein tätig bist, und müsse dich auf der Stelle sprechen. Es gehe um eine Familienangelegenheit. Er sagte, es sei dringend, deshalb gab ich ihm deine Nummer im Hotel, aber ich frage mich ...«
    »Es ist schon okay«, antwortete Barbara. »Es ist alles in Ordnung, Rachel. Du hast es richtig gemacht.«
    Sie wartete zehn Minuten neben dem Telefon, wodurch Rafe ohne sie an irgendeinem Seminar über Arbeitsplatzgestaltung oder den Sauerstoffhaushalt der Erde teilnehmen musste.
    Dann wurde Tonys Anruf von der Zentrale durchgestellt.
    »Es geht um Tom«, begann er.
    Barbara spürte plötzlich einen Druck in ihrem Nacken. Es waren die Vorboten heftiger Kopfschmerzen. Sie sagte: »Tony... hatten wir dieses Thema nicht ausführlich besprochen?«
    »Diesmal ist es etwas anders.«
    »Was soll denn anders sein?«
    »Hör mir einfach zu, Barbara, wärst du so nett? Spar dir deinen psychologischen Sermon, bis ich fertig bin, okay?«
    Barbara biss sich auf die Unterlippe, sagte aber nichts. Trotz dieser verletzenden Bemerkung hörte sie etwas Drängendes, Bittendes in seiner Stimme. Das war bei Tony etwas Neues.
    »Schon besser«, sagte er. »Danke schön. Diesmal scheint Tom ganz tief in Schwierigkeiten zu stecken. Und ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    Erst eine Bitte, dann dieses Geständnis. Barbara fragte: »Trinkt er wieder?«
    »Das ist ja das Unheimliche. Ich glaube nicht. Er verschwindet für ein paar Tage – aber wenn er wieder auftaucht, dann ist er völlig fit und hat keinen Kater. Er hat sich in seinem Haus verkrochen, das er draußen an der Post Road gekauft hat. Er hat kaum Kontakt zu anderen Leuten. Er lebt völlig zurückgezogen. Jetzt war er einige Male nicht in der Firma, und der Verkaufsleiter ist ganz schön sauer auf ihn. Und dann sind da noch gewisse Punkte, die ich nicht erklären kann. Hast du schon mal jemanden getroffen, dem praktisch alles egal ist? Du sagst Hallo, erzählst, dass dein Onkel gestorben ist, und er antwortet freundlich und mitfühlend, aber du erkennst, dass es ihn im Grunde gar nicht interessiert.«
    »Ich kenne solche Leute«, sagte Barbara. Zum Beispiel dich, du Arschloch, dachte sie.
    »Ist Tom dir jemals so vorgekommen?«
    »Nein.«
    »Nun, so ist er aber jetzt. Er hat keine Freunde, besitzt kein Geld, er steht dicht davor, seinen Job zu verlieren ... und nichts davon hat irgendeine Bedeutung für ihn. Er hält sich in ganz anderen Gefilden auf.«
    Das klang überhaupt nicht nach Tom. Tom hatte immer umsichtig gehandelt, über mögliche Folgen nachgedacht. Vielleicht lag es an der Art und Weise, wie seine Eltern ums Leben gekommen waren, vermutete sie, oder es war ein Teil seiner Persönlichkeit, aber Tom hatte der Zukunft immer furchtsam und misstrauisch gegenübergestanden. »Aber all das könnte auch bedeuten, dass er wieder mit dem Trinken angefangen hat.«
    »Ich bin nicht dumm«, sagte Tony. »Gleichgültig, wie raffiniert er vorgeht, ich weiß, wenn mein Bruder trinkt. Das sähe auch völlig anders aus. Weißt du, was passierte, als ich kürzlich bei ihm war? Da wollte er mich nicht ins Haus lassen. Er öffnete die Tür, lächelte mich an und sagte: ›Verschwinde, Tony!‹«
    »Ist er denn glücklich?«
    »Glücklich ist nicht das richtige Wort. Abgehoben passt besser. Weißt du, was ich annehme? Mir scheint, er hat gewisse Selbstmordtendenzen.«
    Barbara schluckte krampfhaft. »Das ist aber gewagt.«
    »Er will irgendwie Schluss machen, Barbara. Er steigt aus. Er will nicht einmal mit mir reden, das ist mein Eindruck. Ihn interessiert nicht mehr, was in der Welt geschieht, weil er sich schon längst von ihr verabschiedet hat.«
    Der Telefonhörer lastete

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