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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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Abdrücke, wie er erleichtert feststellen konnte. Seit längerer Zeit war hier nichts und niemand herumgelaufen. Nicht seit der ZERSTÖRUNG.
    Versuchsweise – und immer noch begleitet von dem seltsamen Nervenkitzel, der sich einstellt, wenn man um die Füße eines schlafenden Riesen herumschleicht – zog er einen Zementbrocken aus dem Trümmerhaufen. Staub wirbelte auf. Steine und Putzbrocken rutschten nach, um die Lücke zu füllen. Einiges davon war das Material, aus dem der Tunnel bestand; aber anderes sah aus wie ganz normaler Zement und Mauerreste.
    Was mochte sich auf der anderen Seite befinden?
    Ein anderer Keller? Der Keller eines anderen – fremden – Hauses? Er befand sich jetzt vielleicht schon in Höhe der Wyndham Lane oder sogar unter dem Einkaufszentrum unweit der Umgehungsstraße. Er sah auf die Uhr und überlegte: In einer Dreiviertelstunde hätte ich diese Strecke durchaus schaffen können. Aber er vermutete – ach, verdammt noch mal, er wusste es ganz genau –, dass dieser Tunnel gewiss nicht zum Vorratslager des Safeway-Supermarktes führte. Man legte einen solchen Tunnel nicht an, wenn man kein exotischeres Ziel hatte als Belltower, Washington.
    Das Land der Zwerge vielleicht. Die Erzgruben von Moria. Oder irgendein innerer Kreis der Hölle oder des Himmels.
    Tom zog ein weiteres Stück Mauerwerk aus dem Geröllhaufen und lauschte dem Poltern des nachrutschenden Gerölls. Es gab keinen Weg hindurch ... obgleich er einen Hauch kühlerer und feuchterer Luft spürte oder zu spüren glaubte, der durch die Trümmer zu ihm drang. Spekulationen waren unsinnig. Er wusste genau, was er zu hatte.
    Zuerst einmal musste er diesen Ort verlassen. Er war müde und durstig – er war nicht so weitsichtig gewesen, wenigstens eine Dose Cola mitzunehmen. Er würde zurückkehren und sich ausschlafen. Und wenn er dann wieder bereit war, würde er hierher zurückkommen. Er würde sich etwas zu essen mitnehmen. Er konnte ja alles in einen Rucksack packen zusammen mit Werkzeug – seinem zuverlässigen Brecheisen – und vielleicht auch eine dieser Papiermasken, die man in Malergeschäften kaufen konnte, um seine Nase vor Staub zu schützen.
    Dann würde er den Geröllhaufen untersuchen und abtragen, bis er herausbekam, was sich dahinter befand – und möge Gott ihm beistehen, wenn es etwas Schlimmes war.
    Was durchaus im Bereich des Möglichen lag, denn irgendetwas Schlimmes war hier ganz offensichtlich vorgefallen. Es hatte eine ZERSTÖRUNG gegeben. Aber nun wurde er nicht mehr von Neugier getrieben. Er hatte den Schwanz des Tigers mit beiden Händen gepackt und sich für den Ritt gewappnet.
    Am nächsten Tag kam er vollständig ausgerüstet zurück.
    Tom dachte, dass er wahrscheinlich ein wenig sonderbar aussah, wie er mit seinem Brecheisen und der Thermosflasche und seinem Beutel mit Schinken-Käse-Sandwiches durch diesen leuchtenden Grubengang stapfte. Er kam sich vor wie einer der Zwerge in Disneys Schneewittchen. Natürlich war niemand zugegen, der ihn hätte sehen können. Doch er war hier so einsam, wie er einsamer nicht sein konnte. Er könnte sich die Kleider vom Leib reißen und eine Arie aus Fidelio singen, wenn ihn die Muse küßte, und niemand würde etwas bemerken.
    Nach drei Stunden schmutziger, schweißtreibender Arbeit gelang es ihm, zwischen dem Geröllhaufen und der Tunneldecke einen Spalt freizuräumen. Der Spalt war etwa so groß wie seine Faust, und als er mit seiner Taschenlampe hindurchleuchtete, fiel der Lichtstrahl in einen leeren, kühlen Raum. Er konnte Staubpartikel erkennen, die im Lichtstrahl tanzten, und ein Stück weiter erblickte er etwas, das aussah wie eine Ziegelwand ... aber ganz sicher war er sich nicht. Er zwang sich, eine Pause einzulegen, sich hinzusetzen, ein Sandwich zu essen und einen Plastikbecher Kaffee zu trinken. Der Kaffee war voller Staub und knirschte zwischen seinen Zähnen.
    Er rekapitulierte seine Entdeckungen. Erstens, der Tunnel hatte eine Richtung und einen Zielort. Zweitens, dieser Zielort war gewaltsam versperrt worden. Drittens, auf der anderen Seite gab es nichts, was auf ihn wartete, um sich auf ihn zu stürzen – jedenfalls nichts Offensichtliches.
    All das hätte ihm sicherlich weitaus mehr Angst eingejagt, wäre da nicht seine Überzeugung gewesen, dass das, was hier vorgefallen war, schon sehr lange zurücklag. Wie viele Jahre war es her, seit der letzte Bewohner aus dem Haus an der Post Road verschwunden war? Fast zehn Jahre – falls das, was

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