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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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sich warm an.)
    Sir, das sind die Beinstücke, die Setae genannt werden. (Sie legen sich um seine Oberschenkel.)
    Sir, diese Kontrollen auf der Platte steuern das Stilett und die Lanzette, die die Rüstung mit meinem Körper verbinden. (Mit der Leber, mit dem Rückgrat, mit dem Hohlraum der Aorta.)
    Hohle Mikropipetten dringen ein, nass von einem Kontaktbetäubungsmittel.
    Bewegung unter seiner Haut.
    Es fühlte sich merkwürdig an.
    Sir, dieser Schalter aktiviert die Lanzette.
    Aha.
    Er wanderte wie ein Geist durch die schneebedeckten nächtlichen Straßen.
    Er trug weite Kleidung über seiner Rüstung, einen langen grauen Mantel und einen breitkrempigen Hut, um sein Gesicht zu verbergen.
    Er ging vorbei an verschneiten Lampenmasten und den blinkenden Verkehrsampeln. Nach Mitternacht, vor dem Morgengrauen, 1953.
    Er war geschmeidig und stark und völlig unbesiegbar.
    Er war berauscht von seiner eigenen verborgenen Kraft und benommen von dem Bedürfnis, ein menschliches Wesen zu töten.
    Er widerstand dem Drang nicht, sondern er quälte sich damit. Die Straßen waren leer, und der Schnee fiel in trockenen, eisigen Graupeln. Der Wind spielte mit dem Saum seines kreidegrauen Mantels und löschte seine Fußabdrücke hinter ihm aus. Die wenigen Fußgänger, die er sah, stemmten sich gegen den Wind und huschten vorbei wie Käfer auf der Suche nach einer schützenden Behausung. Er folgte einem, hielt sich in sicherer Entfernung von ihm, bis der Mann in einem Mietshaus verschwand. Billy erreichte den kleinen Vorbau des Eingangs ... blieb lange in der winterlichen Dunkelheit stehen ... und ging dann weiter.
    Er suchte sich ein anderes mögliches Opfer, einen kleinen Mann, der vom Lichtstrahl eines Autoscheinwerfers erfasst wurde. Billy verfolgte ihn zwei Straßen weit nach Osten, aber er gestattete auch diesem, hinter einer Tür zu verschwinden.
    Keine Eile. Er fühlte sich warm in seiner Rüstung. Er war zufrieden. Sein Herz schlug in seiner Brust mit der beruhigenden Regelmäßigkeit einer sorgfältig justierten Maschine.
    Er lächelte einen Mann an, der mit einer Papiertüte unter dem Arm aus einer die ganze Nacht geöffneten Imbissbude heraustrat. Dieser? Ein hochgewachsener Mann, unausgeschlafen, mit rot geränderten Augen, misstrauisch, ein billiger Tuchmantel; kein reicher Mann, wuchtige Arme und Brust: wahrscheinlich ein starker Mann.
    »Eine schlimme Nacht«, sagte Billy.
    Der Mann zuckte die Achseln, lächelte unsicher und drehte sich dann in den Wind.
    Jawohl, dieser, dachte Billy.
    Billy erwischte ihn mit seinem Handgelenkstrahler in einer Gasse einen halben Block entfernt.
    Der Tötungsvorgang dauerte zwanzig Sekunden, aber er war etwas, das einem Orgasmus am nächsten kam, seit er durch den Tunnel aus der Zukunft hierhergekommen war. Eine kurze und selige Entladung.
    Er bearbeitete den Körper mit einem Messer, um die Kauterisierung der Wunden zu verbergen. Dann nahm er dem Mann die Brieftasche ab, damit sein Tod aussah wie ein Raubüberfall.
    Die Brieftasche warf er in eine Mülltonne in der Eighth Street. Das Geld – fünf Dollar – nahm er mit nach Hause und spülte es durch die Toilette hinunter.
    Erleichtert und seine neue Lebendigkeit in der Dunkelheit seiner Wohnung genießend, trennte Billy sich von seiner Rüstung und legte sie zusammengefaltet in ihre Kiste. Als der Morgen graute, waren die Wolken weitergezogen. Eine winterliche Sonne ging über der verschneiten Stadt auf. Billy duschte und durchforstete den Kühlschrank. Er hatte während der letzten Wochen ziemlich viel Gewicht verloren, aber nun war sein Hunger heftiger denn je. Er war wirklich sehr hungrig.
    Gegen Mittag ging er zu Bett. Er erwachte in der Dunkelheit und entdeckte bei sich etwas Neues. Er verspürte Bedauern.
    Seine Gedanken kehrten zu dem Mann zurück, den er getötet hatte. Wer war er gewesen? Hatte er allein gelebt? Untersuchte die Polizei diesen Mord?
    Billy hatte sich Polizeiberichte im Fernsehen angesehen. Im Fernsehen fand die Polizei immer den Mörder. Billy wusste, dass dies eine gesellschaftliche Fiktion war. Im wahren Leben kam genau das Gegenteil der Wahrheit vermutlich viel näher. Dennoch – Fiktion oder nicht –, die Möglichkeit belastete ihn.
    Er entwickelte neue Ängste. Plötzlich kam ihm der Tunnel im Keller in den Sinn. Er hatte den Tunnel an beiden Enden verschlossen. Laut Ann Heath, der toten Frau mit dem Glaskeil im Kopf, garantierte dieser Akt seine Sicherheit. Niemand würde aus der Zukunft kommen und

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