Chuzpe: Roman (German Edition)
mit dem Jammern aufgehört hatten, fingen auf der Stelle wieder damit an. Ruth konnte nicht verstehen, wieGarth auf die Idee kommen konnte, daß alles gut war. Oder jemals gut werden würde.
Patricia Biscuit hatte Ruth am Tag zuvor angerufen. Patricia Biscuit war eigens in der Attorney Street gewesen. »Der Laden sieht gut aus«, hatte sie zu Ruth gesagt, »aber niemand wird erfahren, daß es ihn gibt. Die Inhaber haben keinen bekannten Chefkoch. Sie haben sehr wenig Aussichten, es zu schaffen. In dieser Straße werden sie nicht überleben.« Patricia Biscuit machte eine Pause. Ruth hoffte, daß Patricia Biscuit nicht noch mehr zu diesem Thema zu sagen hatte.
»Und sie haben einen ziemlich perversen Namen«, sagte Patricia Biscuit.
»Sie wollen alle möglichen Klopse anbieten. Fleischklopse und vegetarische Klopse«, sagte Ruth.
»Es wäre mir neu, daß Klopse welcher Art auch immer zur Zeit besonders angesagt wären«, sagte Patricia Biscuit. »Spaghetti mit Fleischklößchen waren zu ihrer Zeit sicher beliebt, aber das ist lange her, nur nicht lange genug für ein Comeback als Nostalgiefraß. Und schwedische Fleischklößchen waren so schnell wieder weg vom Fenster, wie sie aufgekommen waren.«
Ruth verlor jeden Mut. Sie wollte unbedingt, daß Edek und Zofia und Walentyna mehr als nur ein paar Klopse verkauften. Sie wollte, daß das Unternehmen sich eine Zeitlang am Leben halten konnte. Sie wollte nicht denken müssen, daß es vom ersten Augenblick an ohne jede Chance war. Sie wollte nicht, daß es scheiterte, bevor es überhaupt begonnen hatte.
»Wieviel würde es kosten, die Dienste Ihrer Firma für kurze Zeit in Anspruch zu nehmen?« fragte Ruth Patricia Biscuit.
»Eine PR-Grundversorgung fängt bei fünftausend Dollarim Monat an«, sagte Patricia Biscuit. »Wem gehört die Firma?« fügte sie hinzu.
»Meinem siebenundachtzigjährigen Vater und seinen zwei Freundinnen«, sagte Ruth.
»Du lieber Himmel«, sagte Patricia Biscuit.
Ruth und Sonia hatten verabredet, sich nach der Arbeit in der Attorney Street zu treffen. Sonia hatte das Restaurant noch nicht gesehen. Edek hatte Ruth erzählt, daß sie hofften, in der nächsten Woche zu eröffnen. Ruth hatte sich bemüht, die Contenance zu bewahren. Edek wartete bereits draußen vor dem Restaurant, als Ruth kam. Er sah ein bißchen unfroh aus. Vielleicht war er müde, dachte Ruth. Sie steuerte auf den Eingang des Restaurants zu. Edek hielt sie auf. »Ruthie, ich möchte dir zeigen etwas«, sagte er. »Komm mit.« Edek ging zu der Autowerkstatt links neben dem Restaurant, der Werkstatt ohne Automechaniker. Edek bückte sich, um die Tür der Werkstatt zu öffnen. Ruth wollte ihm helfen, doch er verneinte mit einer Handbewegung. Er schob das Rolltor hoch, als wäre er ein zwanzigjähriger Jüngling. Er klopfte sich etwas Staub von der Kleidung und trat in die Werkstatt. »Komm rein, Ruthie«, sagte er. Ruth folgte ihm. Innen befand sich ein mittelgroßer rechteckiger Raum. Die Wände waren weiß gestrichen. Der Raum war leer. An einer Wand lehnte eine Gipsplatte.
»Wie kommt es, daß wir hier einfach reingehen können?« fragte Ruth Edek.
»Weil es uns gehört«, sagte Edek. »Wir sind die Besitzer. Wir haben es gemietet zur gleichen Zeit wie unseren Laden nebenan.«
»Wie?« sagte Ruth. »Ihr habt diesen Laden zusammen mit dem Laden gemietet, in dem sich das Restaurant befindet?«
»Ja«, sagte Edek. »Wir haben ihn gemietet sofort, als wir haben gemietet das Restaurant.«
»Ihr habt die ganze Zeit beide Läden gehabt?« sagte Ruth.
»Ja«, sagte Edek.
Ruth konnte es nicht fassen. Sie sah Edek an. Sie kam sich vor wie im falschen Film. »Um zu sagen die Wahrheit, Ruthie, es war meine Idee«, sagte Edek. »Ich habe gesagt zu Zofia, daß es nicht schlau ist, zu stecken so viel Geld in ein Restaurant, was wird haben einen Riesenerfolg. Und wenn es dann ist ein Riesenerfolg, wir werden haben keinen Platz für mehr Kunden. Der Mann, was gehört die Autowerkstatt, ist ein sehr netter Bursche. Er hat gesagt, daß die Werkstatt schon steht leer seit drei Jahren. Ich habe ihm gesagt, daß wir sie würden aufräumen und anstreichen. Sie hatte schon eine Toilette. Wir mußten die Toilette nur größer machen für Rollstühle. Jede Toilette, was eingebaut wird in ein neues Restaurant, muß sein groß genug für Rollstühle. Die Toiletten, was sind schon in den Restaurants, müssen nur sein groß genug für Leute.«
Ruth sah ihren Vater an. Zweifellos zitierte er
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