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Chuzpe: Roman (German Edition)

Chuzpe: Roman (German Edition)

Titel: Chuzpe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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haltend. Ihr Mantel triefte. Ihre Schuhe trieften. Sie konnte die Unordnung, die das Wetter in ihr Leben brachte, nicht ausstehen.
    Ruth kam nach Hause, zog sich um und rief Edek an. »Wie kommst du heute abend nach Hause?« fragte sie. »Es regnet in Strömen.«
    »Mach dir keine Sorgen, Ruthie«, sagte Edek. »José nimmt uns mit.«
    Zofia kam ans Telefon. »Ruthie, Liebling, Regen ist sehr gesund«, sagte sie. »Ich mag Regen sehr gern. Ich mag Regen auf dem Gesicht und in den Haaren. Regen ist sehr gesund«, wiederholte Zofia mit einem Nachdruck, der fast an Enthusiasmus grenzte. Offenbar hielt Zofia den Zustand des Durchnäßtseins in jeglicher Form für eine gute Sache.
    »Ich bin froh, daß euch jemand nach Hause fährt«, sagte Ruth. Sie hoffte, daß ihre Stimme nach Zofias Lobpreis des Regens nicht matt und unenthusiastisch klang.
    Ruth rief Garth an. »Hier regnet es in Strömen«, sagte sie.
    »Tatsächlich, Süße«, sagte Garth. Er klang nicht besonders beunruhigt.
    »Es regnet wirklich entsetzlich«, sagte Ruth.
    »Es ist nur Regen«, sagte Garth.
    Nur Regen. Es war nicht nur Regen, dachte Ruth. Nichts war nur irgend etwas. Schokolade war nicht nur Schokolade. Schokolade machte dick. Käse war nicht nur Käse. Käse konnte Verstopfung und Arterienverengung verursachen. Sonnenschein war nicht nur Sonnenschein. Sonnenschein konnte Melanome und Fieberbläschen und Hitzeschläge und Sonnenbrand erzeugen. Nichts war nur irgend etwas. Alles hatte Folgen. Auch der Regen. Regen konnte sie nicht ausstehen.
    »Mein Vater findet, ich sei ruhiger geworden«, sagte Ruth zu Garth. »Ruhiger als wann, hat er nicht gesagt. Und er hat gesagt, ich wäre keine so ruhige Type. Wäre dir eine ruhige Frau lieber gewesen?« sagte sie.
    »So unruhig bist du gar nicht, Süße«, sagte Garth.
    »Wenn ich ruhiger wäre, müßtest du vielleicht selber aufgeregt sein«, sagte Ruth. »Du müßtest vielleicht auf einen Teil deiner Gelassenheit verzichten, wenn ich nicht genug Aufregung und Anspannung für uns beide produzieren würde.«
    »Also tust du mir letzten Endes einen Gefallen«, sagte Garth.
    »Ich glaube schon«, sagte Ruth.
    Garth würde bald nach Hause kommen. Ruth hatte ihn nicht gefragt, wann genau er kommen würde. Vielleicht war sie ruhiger geworden.
    James King rief bei Ruth an. Er hatte ihr offenbar den Hundeschlamassel verziehen. Den Schlamassel mit Scout und Willie. Aber nicht nur das. Er benahm sich geradezu unterwürfig. Manche Leute konnten das gut. Manche Leute waren darin unschlagbar. James King gehörte nicht dazu. Zu ihm paßte es wesentlich besser, barsch zu sein. Und aufgebracht. Wenn James King unterwürfig wurde, klang er schmierig. Ruth mußte den Hörer weghalten, als James King ihr einen zehnminütigen Monolog darüber hielt, wie stolz sie auf ihren Vater sein müsse. James King wünschte, daß Ruth anläßlich seines Geburtstags einen Tisch für zehn Personen reservierte. »Ich habe gehört, daß die Chefköchin Hackbraten als Geburtstagstorten macht«, sagte er. »Ich würde gerne so etwas bestellen. Als Aufschrift hätte ich gern: Happy Birthday Jimmy .«
    Ruth wollte nicht wissen, daß James King sich selbst Jimmy nannte. Schon gar nicht in einem Gespräch, in dem er ohnehin nicht mehr wiederzuerkennen war.
    »Wir wollen tanzen«, sagte James King.
    Ruth verzog das Gesicht. Ein James King, der ein Spaßvogel zu sein versuchte, war überhaupt nicht nach ihrem Geschmack. Genausowenig wie ein leutseliger James King. Das Restaurant ihres Vaters veränderte die Beziehung zwischen ihr und den Kunden. Die meisten ihrer Kunden wollten auf einmal mit ihr plaudern. Sie mußte immer mehr Zeit am Telefon verbringen. Sie hatte Max angewiesen, Kunden, die mit ihr plaudern wollten, nach Möglichkeit abzuwimmeln. »Ich kann mir nicht leisten, mit jedem Kunden, der anruft, zu plaudern«, hatte sie gesagt. »Und Sie auch nicht«, hatte sie hinzugefügt, »sonst haben wir bald mehr freie Zeit, als uns lieb sein kann.«
    Edek rief Ruth an. »Zofia hat dir gerade etwas schicken lassen«, sagte er. »Sie hat ein paar Klops geschickt in einem Kasten, was die Klops hält warm. Sie sollten ankommen jeden Augenblick. Zofia hat mir gesagt, daß ich dir soll sagen, daß sie enthalten kein Fett. Ich muß auflegen, Ruthie«, sagte Edek. »Wir haben sehr viel zu tun.«
    In dem Moment erschien ein Kurier mit einem großen Karton an der Tür. In dem Karton befand sich ein vakuumverpackter warmer Behälter. Edek rief wieder an.

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