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Chuzpe: Roman (German Edition)

Chuzpe: Roman (German Edition)

Titel: Chuzpe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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anders. Sie wechselte immer schnell das Thema. Anders als die beiden anderen liebte sie keine kontroversen Diskussionen. Kate war in dieser Hinsicht Garth ähnlicher. Und sie war Garths leibliches Kind. Nicht Ruths Kind. Kate hatte nicht das Bedürfnis, bei jeder Diskussion in jedem Punkt recht zu behalten. Wenn Garth im Lauf der Jahre auf bestimmte Eigenschaften Ruths hingewiesen hatte, dann hatte Ruth immer die gleiche Antwort gegeben: »Das ist eben typisch jüdisch«, sagte sie. Und so war es. Juden mußten in jeder Auseinandersetzung das letzte Wort behalten, auch wenn es noch so lange dauerte.
    »Was kann mit Grandpa bloß los sein?« sagte Zelda.
    »Gar nichts, Zelda«, sagte Ruth. »Er ist siebenundachtzig.Wahrscheinlich wird er nur ein bißchen gelassener oder altersmild.« Sie wollte nicht, daß Zelda sich Sorgen machte. Sie war selbst etwas beunruhigt, daß Edek sich verspätete, doch nach jahrelangen Panikattacken bei jeder sich bietenden Gelegenheit bemühte Ruth sich inzwischen, ihre Besorgnis zu zügeln.
    »Grandpa und gelassen?« sagte Zelda. »Letzten Sonntag war ich um ein Uhr mit ihm zum Lunch verabredet. Ich kam fünf Minuten zu früh. Grandpa stand vor dem Restaurant und sprach mir die vierte Nachricht innerhalb von zehn Minuten auf die Mailbox. Ich habe sie alle abgehört, nachdem ich aus der U-Bahn ausgestiegen war. Jede Nachricht lautete: ›Zelda, wo steckst du? Hier spricht Grandpa.‹« Ruth mußte lachen. »Als wäre man mit Hunderten älterer Juden mit auffallend polnisch-jiddisch-australischem Akzent bekannt«, fuhr Zelda fort, »die einem alle nacheinander die gleiche Nachricht auf der Mailbox hinterlassen. Nach unserem Gespräch rufe ich ihn an.« Ruth nahm sich vor, sich keine Sorgen um Edek zu machen und nicht verstimmt zu sein. In letzter Zeit hatte er eigentlich ganz glücklich und weniger aufgeregt gewirkt. Vielleicht war er noch damit beschäftigt, sich in New York einzuleben. Vielleicht waren die Begleitumstände seiner Verpflanzung inzwischen weniger störend. Und die seiner Entwurzelung.
    »Ich wollte nur von mir hören lassen«, sagte Zelda. »Ich hatte eine ziemlich anstrengende Woche. Ich war zweimal beim Zahnarzt. Und dann habe ich festgestellt, daß Lancelot zuckerkrank ist.«
    »Katzen können zuckerkrank werden?« fragte Ruth.
    »Ja«, sagte Zelda, »und jetzt muß ich ihm jeden Tag Spritzen geben.« Sie schwieg für einen Augenblick. »Ich weiß, daß du keine Katzen magst und daß du der Meinung bist, ich sollte in meiner kleinen Wohnung keine halten«, sagte sie.
    »Zelda, laß uns bitte nicht damit anfangen«, sagte Ruth.»Nicht schon wieder. Ich bin nicht verrückt nach Katzen, aber es ist dein Leben, und wenn dir der Sinn danach stehen sollte, kannst du dir von mir aus zehn Katzen zulegen.« Zelda, die in einer Werbeagentur arbeitete, war immer nach Katzen verrückt gewesen. Und nach Hunden.
    »Schon gut«, sagte Zelda. »Jedenfalls war es eine scheußliche Woche. Absolut scheußlich. Ein Fernsehproduzent hat mich vor einem meiner Autoren zusammengefaltet. Ohne jeden Grund.«
    Warum hielten ihre Kinder sie für den geeignetsten Empfänger für Beschwerden über alles und jeden? Vielleicht betrachteten alle Kinder Mütter als Anlaufstelle für Klagen. Nicht daß Ruth sich gesträubt hätte, Klagen und Beschwerden zu hören. Ein paar Klagen ließ sie sich durchaus gefallen, aber sie wollte auch andere Neuigkeiten hören. Für das Anhören von Klagen hatte sie eine Geduldsspanne von fünf Minuten. Danach bekam sie Kopfschmerzen. »Zelda, mein Herz, ich muß auflegen. Grandpa kann jeden Augenblick kommen«, sagte Ruth.
    Sobald sie aufgelegt hatte, klingelte das Handy wieder. Sie dachte, es sei Zelda, obwohl die Nummer des Anrufers unterdrückt war. Zelda hatte die Angewohnheit, ein zweites Mal anzurufen und das Gespräch mit einer kleinen Koda abzurunden.
    »Hallo, Süße«, sagte Garth. Ruths Laune hob sich. Sie war glücklich, von Garth zu hören. Er hatte ihr sehr gefehlt. Das hatte sie vorher gewußt. Sie hatte sich auf seine Reise nach Australien nicht gefreut. Doch sie wußte, daß es in ihrem eigenen Interesse war, Garths Abwesenheit ertragen zu können. Es war Ruth immer sehr schwergefallen, sich von Garth zu trennen. Es fiel ihr immer schwer, sich von Menschen zu trennen, die sie liebte.
    »Hallo, Liebster«, sagte Ruth zu Garth. »Ich bin so glücklich, deine Stimme zu hören. Geht es dir gut?«
    »Hervorragend, meine Süße«, sagte Garth. Garth nannte sie

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