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Chuzpe: Roman (German Edition)

Chuzpe: Roman (German Edition)

Titel: Chuzpe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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ihre Bürotür.
    »Max«, sagte Ruth, »ich muß wissen, ob die Hundebesitzer Freunde oder Bekannte sind.« Max nahm den Ordner zur Hand. Offenbar waren James King und Willies Besitzer Scout nur Bekannte. »Sie kennen sich nur durch ihre Hunde«, sagte Max.
    »Danke«, sagte Ruth.
    Sie ging in ihr Zimmer zurück und unterschrieb den Brief: »Mit besten Grüßen«.
    Ruth hatte eine unerquickliche Woche hinter sich. Dreimal hatte sie Garth angerufen, ohne ihn zu erreichen. Bei jedem ihrer Anrufe war er entweder auf der Baustelle oder nicht in der Nähe gewesen. Und seine Mailbox war nichteingeschaltet. Seine Anrufe hatte sie jedesmal verpaßt. Sie wollte ihn sehen, mit ihm sprechen, von ihm in den Armen gehalten werden. Immer wieder hatte sie die panische Furcht abgewehrt, ihn möglicherweise nie wiederzusehen. Das Gefühl, daß Leute ohne weiteres verschwinden konnten, hatte sie seit ihrer Kindheit verfolgt. Daß jedermann verschwinden konnte, wenn man nicht aufpaßte. Jahrelang war ihr vor Erleichterung fast schwindelig geworden, wenn ein Mensch, den sie liebte, von einer Reise zurückkam.
    Am späten Nachmittag rief Edek an. Er rief von der Lower East Side aus an. »Ich bin in der Essex Street«, sagte er. »Ich habe gefunden einen Laden mit ausgezeichneten Dillgurken und einen Laden, wo sie machen eine gehackte Leber, was ist fast so gut wie die gehackte Leber, was hat gemacht immer Mum.«
    »Was machst du in der Lower East Side, Dad?« fragte Ruth.
    »Ich schaue mich nur um«, sagte Edek. »Eine sehr interessante Gegend.«
    »Ich schaue mich nur um« war eine merkwürdige Formulierung. Edek tat nie irgend etwas nur so. Alles, was er tat, hatte einen Zweck. Er sah sich nie nur um, ging nie einfach nur spazieren.
    »Dad«, sagte Ruth, »wollen wir heute abend zusammen essen gehen?«
    »Ruthie, Liebling«, sagte Edek, »ich habe schon gegessen.« Ruth warf einen Blick auf die Uhr. Es war sechs. »Ich habe gegessen in einem neuen Restaurant, was ich habe gefunden in der Lower East Side«, sagte Edek. »Es heißt Noah’s Ark. Es ist an der Grand Street.« Noah’s Ark klang nicht italienisch, chinesisch oder brasilianisch. Noah’s Ark klang eindeutig jüdisch. »Hier sind nur Juden«, sagte Edek. »Alte Juden, junge Juden, Juden mit Familie. Es ist ein sehr gutes Restaurant. Das Essen ist sehr, sehr gut. Ich hatte Hühnersuppemit Kreplech und hinterher ein Schnitzel. Am Nebentisch sitzt ein alter Jude mit einer neuen Frau. Sie sieht aus chineserisch.« Ruth hatte aufgegeben, ihm zu erklären, daß es Chinese und nicht Chineser hieß. »Dieser alte Jude sieht aus sehr glücklich mit seiner Chineserfrau. Sie essen Latkes und gebackenen Fisch.«
    »Was ist mit dem Second Avenue Deli?« sagte Ruth. »Willst du dort nicht mehr hin?«
    »Ich war dorten oft essen, Ruth, und es ist ein gutes Restaurant, aber weil ich sowieso hier war in der Gegend, habe ich mich umgesehen nach einem Restaurant und das Noah’s Ark gefunden.«
    »Was machst du denn in dieser Gegend?« fragte Ruth.
    »Ich sehe mich um«, sagte Edek. »Ich möchte, daß du irgendwann mit mir kommst hierher. Hier kann man alles kaufen. Sehr billig. Man kann Wasserflaschen kaufen. Sechzig Flaschen Wasser für fünfzehn Dollar. Das macht fünfundzwanzig Cent für eine Flasche. In der Nähe von deinem Büro habe ich bezahlt einen Dollar und einen halben für die gleiche Flasche. Hier kann man alles kaufen, Ruthie. Man kann Büstenhalter kaufen. Riesengroße Büstenhalter und nicht ganz so große Büstenhalter.«
    Ruth vermutete, daß Edek von Cadman Hosiery sprach. Die Auslage von Cadman Hosiery sah aus, als wäre seit fünfzig Jahren nichts an ihr verändert worden, und zu dieser Auslage gehörten Büstenhalter mit Körbchengröße DDDD. In der Auslage waren auch verschiedene uralte angestaubte Körperteile von Kleiderpuppen verstreut. Das Schaufenster wirkte wie der Tatort eines Massakers, das nur die Büstenhalter mit Körbchengröße DDDD überlebt hatten.
    Warum sah sich Edek solche »riesengroßen Büstenhalter« an und erzählte ihr davon? Normalerweise redete er nicht über Büstenhalter. An wen dachte er dabei? An Zofia? Zofias Brüste hätten einen Büstenhalter mit KörbchengrößeDDDD ausgefüllt. Sie waren groß und fest und deuteten unerschrocken nach vorne. Zofias Brüste verkündeten ihre Gegenwart bereits Sekunden bevor die übrige Zofia erschien. Es waren eindrucksvolle und einschüchternde Brüste. Sie sahen aus, als könnten sie einen

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