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Chuzpe: Roman (German Edition)

Chuzpe: Roman (German Edition)

Titel: Chuzpe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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grünen Lurexrock. Ruth hatte nicht gewußt, daß es in Polen Lurex gab. Der Rock glitzerte und schimmerte, wenn Zofia sich bewegte. Und Zofia hatte sich schon ausgiebig bewegt. Sie war aufgestanden, hatte an ihrem Rock gezupft und sich wieder gesetzt. Das hatte sie getan, weil der Rock dazu tendierte, an den Hüften hochzurutschen. Aber der Rock war hartnäckig. Jedesmal, wenn Zofia an ihrem Rock gezupft und sich danach hingesetzt hatte, war er wieder hochgerutscht. Zofias Brüste, in einem kurzen, engen, schwarzen Top mehr schlecht als recht verborgen, bewegten sich, wenn Zofia sich bewegte. Mehrmals wären sie fast aus eigenen Stücken herausgerutscht. Als wären sie entschlossen, ihrer Umgebung zu entfliehen.
    Ruth wollte gerade die Untermietgelegenheit an der Avenue D beschreiben, als Edek sie unterbrach. »Wir haben gefunden eine Wohnung«, sagte er.
    »Ihr habt eine Wohnung gefunden?« sagte Ruth.
    »Ja«, sagten Zofia, Walentyna und Edek wie aus einem Mund. Das war keine gute Nachricht. Ruth spürte es sofort. »Wir haben gefunden eine Wohnung, was hat zweieinhalb Schlafzimmer«, sagte Edek. »In Polen haben wir keine halben Schlafzimmer«, sagte Walentyna.
    »Wir sind in Amerika«, sagte Zofia. »In Amerika gibt es alles.«
    »Das ist wahr«, sagte Edek. »Hier man kann haben ein halbes Schlafzimmer und ein halbes Badezimmer. Ein halbes Schlafzimmer ist dasselbe wie ein ganzes Schlafzimmer, nur nicht so groß. Und ein halbes Badezimmer ist ein Badezimmer, was hat keine Badewanne oder keine Dusche.«
    »Solche Badezimmer haben wir viele in Polen«, sagte Walentyna.
    Ruth sah Edek an. Wann hatte er sich dieses Wohnungsmaklerwissen angeeignet? Als er zu tun hatte? Es hatte in der Tat den Anschein, als habe er ziemlich viel zu tun gehabt.
    »Es ist eine sehr nette Wohnung in der Lower East Side«, sagte Edek.
    »Eine sehr, sehr nette Wohnung«, sagte Zofia und tätschelte Edek den Kopf.
    »Wir haben sie schon«, sagte Edek. »Ich habe unterschrieben einen Mietvertrag für zwei Jahre. Ich habe alles arrangiert selber. Alle Papiere, alle Dokumente, alles.«
    Entsetzen stieg in Ruth auf. »Du hast doch nicht etwa die Wohnung mit der Rieselbewässerung auf der Terrasse gemietet?« sagte sie.
    »Bist du verrückt?« sagte Edek. »Sowieso nicht. Ich habe gefunden eine einfache Wohnung. Sie hat nicht einmal einen Aufzug. Wir müssen steigen zwei Treppen.«
    »Aber sie ist sehr nett«, sagte Zofia.
    »Wo ist sie?« fragte Ruth. In ihrem Kopf drehte sich alles.
    »Sie ist an der Pitt Street«, sagte Edek.
    »In der Nähe der Delancey Street«, sagte Zofia.
    Mist, dachte Ruth. Zofia kannte sich bereits aus. Zofia kannte bereits die Delancey Street. Ruth wünschte, sie hätte Edek niemals eine eigene Kreditkarte gegeben und niemals ein eigenes Konto für ihn eröffnet.
    »Wir sind dort sehr glücklich«, sagte Walentyna.
    »Wir wohnen dort seit zwei Tagen«, sagte Zofia.
    »Sie wohnen dort?« sagte Ruth.
    »Ja«, sagte Zofia.
    »Es gefällt uns dort sehr gut«, sagte Walentyna.
    Wer war »wir«, fragte sich Ruth. War Edek mit eingezogen? Zahlte sie inzwischen dreitausend Dollar im Monat für eine leere Wohnung an der Second Avenue? Und wer würde das halbe Schlafzimmer bewohnen? Wie hatte Edek das alles eingefädelt? Und in so kurzer Zeit? Manche Leute suchten monatelang nach einer Wohnung. Und es dauerte Wochen, bis Vermieter oder Eigentümer sie akzeptierten.
    »Edek war sehr gut zu uns«, sagte Zofia und hakte sich bei Edek unter. Ihre Brüste ruhten an Edeks Seite. Ruth bemühte sich, nicht hinzusehen.
    Edek war sehr gut zu euch? hätte sie am liebsten geschrien. Edek war gut zu euch? Das war nicht Edek. Das war ich. Ich habe die Rechnungen bezahlt. Mit meiner Kreditkarte. Mit meinem Geld.
    »Edek war sehr gut zu uns«, wiederholte Zofia. Ruth sah Zofia an. Sie vermutete, daß Zofia wußte, daß beide Freundinnen wieder auf dem Weg nach Zoppot wären, wenn es nach ihr gegangen wäre.
    »Wir sind sehr glücklich«, sagte Walentyna zu Ruth. Walentyna hatte etwas unaufdringlich Schüchternes. Etwas Schüchternes, das sie im Verein mit ihrer eklektischen, unpassenden, mehr als befremdlichen und wenig attraktiven Kleidung sehr liebenswert machte. »Ich freue mich, daß Sie glücklich sind«, sagte Ruth zu Walentyna.
    »Was wollen Sie essen?« fragte Zofia Ruth. Ruth hatte den Appetit verloren.
    »Meine Tochter ißt nicht«, sagte Edek.
    »Natürlich esse ich«, sagte Ruth.
    »Sie ißt so komische Sachen«, sagte Edek. »Sie

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