Chuzpe: Roman (German Edition)
lang.«
Acht Wochen! Dieser Umzug nach New York war von langer Hand geplant. Soviel war klar. Geplant mit der Vorarbeit, Akribie und Umsicht, mit der man einen Jahrhundertbankraub vorbereitet.
»Sie sprachen schon gut Englisch, bevor sie haben besucht diesen Kurs«, sagte Edek.
»Es war nicht schlecht«, sagte Walentyna.
»Es war gut«, sagte Zofia. »Aber jetzt ist es sehr gut.«
In Zofias Welt war offenbar alles sehr gut. Ihr Blut, ihr Brustkorb, ihre Haut, ihr Englisch. »Sie haben Business-Englisch gelernt?« sagte Ruth.
»Ja«, sagte Walentyna. »Wir haben Wörter gelernt wie Verhandlung, Leistung, Unternehmung.«
»Und Transaktion«, fügte Zofia hinzu.
Transaktion war das richtige Wort, dachte Ruth. Dieses Vorgehen konnte allen Strategien, Finten, taktischen Manövern und Geheimverhandlungen zwischen Staatsoberhäuptern das Wasser reichen.
»Ich glaube nicht, daß Zofia wird benötigen solche Wörter«, sagte Edek. »Entweder man hat eine Hand für Geschäfte oder man hat keine Hand dafür. Aber normales Englisch genügt dafür.«
»Außer man will, daß die Leute einem Hunderte Dollar für einen Brief bezahlen«, sagte Zofia.
Walentyna lächelte. Edek lachte schallend. Ruth konnte daran überhaupt nichts komisch finden.
»Du hast recht, wie immer«, sagte Edek zu Zofia. Wie immer? Was wollte Edek damit sagen? Man mußte einen Menschen ziemlich lange kennen, bis man wußte, was bei ihm wie immer war und was ungewöhnlich war. Ruth fühlte sich unwohl. Entschieden unwohler als sonst.
Sechstes Kapitel
Tara McGann, die normalerweise durch nichts aus der Ruhe zu bringen war, saß mit erschütterter Miene an ihrem Schreibtisch, als Ruth in das Büro kam.
»Gestern abend war ich auf einem vierstündigen Seminar«, sagte Tara, als Ruth sie fragte, was los sei. »Seminarleiterin war eine junge Professorin, die auch Dekanatsassistentin ist, also ziemlich erfolgreich. In dem Seminar ging es darum, wie man sich für eine akademische Stelle bewirbt. Sie hat uns ihre eigenen Erfahrungen auf dem Stellenmarkt so dargestellt, als wäre alles eine Sache des Zufalls. Reine Glückssache. So gut wie jede Anekdote leitete sie mit Bemerkungen ein wie: ›Das hatte ich so nicht geplant, das hat sich einfach so ergeben, zu dieser Stelle kam ich wie die Jungfrau zum Kind.‹ Sie hat kein Wort darüber verloren, daß man jemand Einflußreichen, der unter den Zuhörern ist, wenn man ein Referat hält, um ein Empfehlungsschreiben bitten oder andere Gelegenheiten nutzen könnte. Da stand diese Frau aus dem Dekanat und weigerte sich schlicht, einer Handvoll Doktorandinnen – es waren nämlich fast nur Frauen – zu sagen: Geht strategisch vor, so wie ich. Sie hat so getan, als wäre alles nur eine Frage des Glücks. Strategien kann man nachahmen. Glück nicht. Ich war stinksauer. Kein Wunder, daß sogar in den Geisteswissenschaften,in denen Frauen den Großteil der Doktoranden stellen, Frauen nach wie vor nur eine Minderheit des Lehrkörpers bilden.«
»Es ist empörend, oder?« sagte Ruth.
»Ich bin immer noch stinksauer«, sagte Tara. »Ich glaube, die Frauen, die es bis nach oben schaffen oder auf dem Weg dorthin sind, wollen den Eindruck erwecken, sie seien etwas Besonderes, etwas Außergewöhnliches. Sie wollen allein sein, nicht umringt von Unmengen erfolgreicher Frauen.«
»Es fällt Frauen sehr schwer, einzusehen, daß es von Vorteil für sie wäre, Erfahrungen und Kontakte auszutauschen«, sagte Ruth. »Aus den meisten Frauen könnte man so was nicht mit der größten Pinzette der Welt herauspulen.«
Tara lachte.
»Es ist wahr«, sagte Ruth. »Die meisten Frauen haben für andere Frauen nur blutrünstige Gedanken übrig.« Sie dachte darüber nach. Sie selbst hegte Zofia gegenüber wahrscheinlich wesentlich mehr blutrünstige als wohlwollende Gefühle. Sonia hatte recht. Ruth war nicht sehr schwesterlich.
Ruth merkte, daß sie ihren Vater seit Zofias und Walentynas Ankunft nicht mehr allein gesehen hatte. Mehrmals hatte sie versucht, sich mit ihm zu verabreden. Sie hatte vorgeschlagen, mit ihm zu Abend zu essen oder Kaffee zu trinken. Aber Edek hatte offenbar nie Zeit. Er hatte immer eine Ausrede gehabt. Ruth kam es vor, als müßte sie ihn regelrecht anbetteln, wenn sie ihn allein sehen wollte. Darüber hatte sie sich bei Edek beklagt. »Ich bekomme dich nie allein zu sehen«, hatte sie gesagt. »Immer müssen Zofia und Walentyna dabeisein.«
»Was soll ich tun?« hatte Edek gesagt. »Soll ich ihnen sagen,
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