Chuzpe: Roman (German Edition)
daß sie nicht sind willkommen, wenn ich zusammen bin mit meiner Tochter? Sie sind Fremde hier. Sie kennen niemanden. Wenn sie erst kennen mehr Leute, wird es seinanders.« Er schwieg einen Augenblick. »Was ist es, was du mir willst sagen, was ist so privat?« fragte er.
»Es geht nicht darum, daß ich etwas Vertrauliches zu sagen hätte«, sagte Ruth. »Ich will nur mit dir zusammensein.«
»Das sind wir«, sagte Edek.
Ruth rief Sonia an. »Mein Vater steckt dauernd mit diesen zwei Frauen zusammen«, sagte sie. »Sie treten immer als Trio auf.«
»Na und?« sagte Sonia.
»Sie sind wie Drillinge«, sagte Ruth. »Unzertrennlich.«
»Ist das nicht besser als die Zeit, als er jeden Tag in dein Büro kam?« sagte Sonia.
»Nein«, sagte Ruth. »Da wußte ich wenigstens, was er anstellte.«
»Was stört dich daran?« sagte Sonia. »Denkst du, Zofia wäre hinter deinem Vater her?«
»Das ist sie«, sagte Ruth.
»Und was stört dich daran?« sagte Sonia. »Er ist siebenundachtzig. Es ist toll für ihn, daß jemand hinter ihm her ist.«
»Ich hätte nichts dagegen, wenn er eine Freundin hätte«, sagte Ruth. »Aber nicht Zofia.«
»Was stört dich an Zofia?« sagte Sonia.
Wie oft wollte Sonia noch wissen, was sie störte, fragte sich Ruth. Konnte Sonia nicht sehen, was sie störte?
»Du hörst dich an wie eine dieser jüdischen Frauen in Melbourne, die von jedem Mädchen finden, es sei ›nicht gut genug‹ für ihren Sohn«, sagte Sonia.
Ruth war verärgert. Sie wollte nicht mit den jüdischen Müttern aus ihrer Kindheit über einen Leisten geschlagen werden. Sie war eine jüdische Mutter. Aber nicht »eine dieser« jüdischen Mütter.
»Du hörst dich an wie Mrs. Glicksman oder Mrs. Dittman oder Mrs. Feldman«, sagte Sonia.
»Ich habe weder Mrs. Glicksman noch Mrs. Dittman, noch Mrs. Feldman gekannt«, sagte Ruth. »Ich kannte Mrs. Hoffman, Mrs. Friedman und Mrs. Kleinman.«
Sonia lachte.
Es war nicht zu übersehen, daß Sonia nichts dabei fand, daß Edek eine Wohnung mit zwei alleinstehenden Polinnen teilte. Eine Wohnung, die Ruth bezahlte. Ruth beschloß, das Thema zu wechseln. »Ich brauche eine Copyright-Auskunft von dir«, sagte sie. »Ich möchte den Satz ›Wollen wir tanzen?‹ auf einer Karte verwenden. Kann es sein, daß die Erben von Oscar und Hammerstein das Copyright an diesen Worten innehaben?«
»Du weißt, daß ich keine Copyright-Spezialistin bin«, sagte Sonia. »Ich bin für Markenschutz zuständig, aber ein paar allgemeine Sachen kann ich dir sagen. ›Shall We Dance‹ ist ein Lied, das unter die Rubrik Copyright fällt. Die Verwendung dieses Lieds, Text wie Musik, unterliegt der Genehmigungspflicht durch den Copyrightinhaber. Den Rechten des Copyrightinhabers sind allerdings bestimmte Grenzen gesetzt. Ich könnte mir gut vorstellen, daß das, was du mit dem Titel vorhast, einen Ausnahmefall bildet, für den das Copyright nicht gilt.«
»Du meinst, ich könnte ihn vielleicht benutzen?« fragte Ruth.
»Ich könnte es mir vorstellen«, sagte Sonia. »Zu den Beschränkungen des Copyrights gehört das Recht zu zitieren. Ein Zitat unterliegt keiner Genehmigungspflicht durch den Rechteinhaber, aber es gibt keine festen Kriterien für die Definition dessen, was ein Zitat ist und was nicht, und die Rechtsprechung ist sich darüber bisher nicht einig.«
»Wie kannst du diesen ganzen Kram im Kopf behalten?« sagte Ruth.
»Das ist mein Job als Anwältin«, sagte Sonia. »Kram im Kopf zu behalten. Was soll noch auf der Karte stehen?«
»Auf der Innenseite nur noch das Wort ›wann?‹«, sagte Ruth.
»Das copyrightgeschützte Material macht also einen erheblichen Teil der fraglichen Karte aus?« sagte Sonia.
»Es macht drei Viertel der Karte aus«, sagte Ruth.
»Ich werde es mit einem Kollegen besprechen und mich dann bei dir melden«, sagte Sonia.
Ruth steckte die Wollen-wir-tanzen- Karte in den Ordner mit der Aufschrift »Wahrscheinliche Karten«. Es gab einen Ordner für wahrscheinliche und einen für mögliche Karten. Max war dieser Unterschied zu hoch, aber Ruth wußte, was wahrscheinlich bedeutete und was möglich bedeutete. Wenigstens in ihrem Arbeitsalltag. Außerhalb der Arbeit tat sie sich schwerer mit dem Unterschied. Sie wußte, daß ein Gehirntumor möglicherweise, aber nicht unbedingt wahrscheinlich die Ursache von Kopfschmerzen sein konnte. Und daß ein Anruf spät am Abend möglicherweise eine Hiobsbotschaft bedeuten konnte, wahrscheinlich aber nicht. Diese Dinge
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