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Chuzpe: Roman (German Edition)

Chuzpe: Roman (German Edition)

Titel: Chuzpe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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der Proben war von einem rötlichen, dumpfen Dunkelbraun. Beinahe rot. Und beinahe braun. Es war eine geschlechtsüberschreitende Farbe. Eine Farbe, die ihrer Ansicht nach Männern und Frauen gefallen müßte. Sie wollte sie für eine Karte benutzen, die im Zeitalter des E-Mail-Austauschs fast altmodisch wirkte:
    DIE LETZTE NACHT WAR WUNDERSCHÖN
    Können wir uns wiedersehen?
    Ruth hoffte aber, daß der Text in Verbindung mit dem dunklen Rot eine zeitgenössisch kecke Note ergeben würde. Die Keckheit und Selbstgewißheit einer E-Mail-Botschaft.
    Zachary rief sie an. »Wollte mich nur melden, Roo«, sagte er. »Wie geht es dir?«
    »Gut, danke«, sagte sie.
    »Und die Arbeit?« sagte Zachary.
    »Alles okay«, sagte sie.
    »Kannst du schlafen, Roo?« fragte er.
    »Zelda hat mich gestern gefragt, ob ich genug schlafe«, sagte Ruth. »Und Kate hat mich letzte Woche gefragt. Ich will nicht, daß ihr euch zusammensetzt und euch den Kopf über meine Schlafstörungen zerbrecht. Ich will nicht, daß ihr euch zusammensetzt und über mich redet. Außerdem handelt es sich nur um Schlafstörungen, weiter nichts.«
    »Wir wissen, daß du schlecht schläfst, wenn du Probleme hast. Und daß Garth nicht da ist, macht die Sache nicht leichter«, sagte Zachary.
    »Wenn ich nicht schlafen könnte, wenn ich Probleme habe«, sagte Ruth, »hätte ich wahrscheinlich in meinem ganzen Leben noch kein Auge zugetan.«
    Zachary lachte.
    »Zelda wollte wissen, ob ich zurechtkäme«, sagte Ruth. »Ich habe mich gefühlt wie ein Kleinkind. Ich komme zurecht. Jedenfalls mehr oder weniger. Garth fehlt mir natürlich. Und Grandpa bringt mich noch um den Verstand.«
    »He, ist Grandpas Idee mit dem Restaurant nicht klasse?« sagte Zachary.
    »Wie?« sagte Ruth. »Er hat dich eingeweiht?«
    »Er hat uns alle drei eingeweiht«, sagte Zachary.
    »Es ist überhaupt nicht klasse«, sagte Ruth. »Und es ist nicht seine Idee, sondern Zofias Idee.«
    »Ja, aber ist es nicht klasse?« sagte Zachary. »Zofia macht tierisch gute Fleischklößchen. Gestern abend hat sie Bolognese-Klößchen gemacht – nicht Klößchen mit Bolognese-Sauce, sondern Klößchen mit der Sauce innendrin. Sie haben nach Klößchen und Sauce gleichzeitig geschmeckt.«
    »Du warst gestern abend bei ihnen?« sagte Ruth. »Ich habe dich seit Wochen nicht gesehen.«
    »Roo, Grandpa ist mein Großvater«, sagte Zachary.
    »Das weiß ich«, sagte sie.
    »Ich glaube, Garth fehlt dir mehr, als du denkst«, sagte Zachary zu ihr.
    »Ich habe nicht ein Vermögen auf der Analytikercouch ausgegeben, damit du mir in Sachen Selbsterkenntnis auf die Sprünge hilfst«, sagte Ruth. »Ich weiß, daß Garth mir fehlt.«
    »Roo, soll ich eine Zeitlang zu dir ins Loft ziehen?« fragte Zachary.
    »Nein«, sagte Ruth. »Vielen Dank. Es ist alles in Ordnung. Aber könntest du vielleicht bei Grandpa einziehen und ihn von Zofia ablenken?« sagte Ruth.
    »Ich weiß nicht, was du gegen sie hast«, sagte Zachary. »Für Grandpa ist es klasse, daß es sie gibt. Und es ist klasse für Grandpa, daß er Sex hat.«
    »Woher willst du wissen, daß Grandpa Sex hat?« sagte Ruth.
    »Roo, natürlich hat er Sex«, sagte Zachary.
    Ruth hatte verabredet, mit Edek, Zofia und Walentyna zu frühstücken. Sie hoffte, imstande zu sein, sich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf die Vorstellung, daß ihr Vater und Zofia Sex hatten. Das Frühstück war vereinbart worden, damit über Geld gesprochen wurde. Geld für das Vorhaben. Edek hatte darauf bestanden, daß sie sich in Noah’s Ark trafen. Er hatte gesagt, angeblich gebe es dort Rollmops zum Frühstück. Edek, Zofia und Walentyna sahen nervös aus, als Ruth ankam. Angespannt. Als hätten sie eine Besprechung mit dem Vorstand der Weltbank vor sich. Edek kratzte sich an den Händen. Das hatte sie ihn seit Jahren nicht mehr tun sehen. Zum letztenmal hatte er es getan, als der Vorarbeiter in der Fabrik, in der er arbeitete, ihm gesagt hatte, er solle in Ruhestand gehen. Zofia war ein etwas bleicherer Schatten ihrer selbst. Und Walentyna war kreideweiß.Es erleichterte Ruth, zu sehen, daß Zofias Kleidung nicht einen Deut dezenter war als sonst. Sie trug einen schwarz-grün-karierten Rock, ein limonengrünes Oberteil und einen schwarzen Gürtel mit smaragdgrünem Straßbesatz und einer herzförmigen Gürtelschnalle. Zofias Aufmachung stimmte Ruth heiterer. Alle drei sprangen auf, als sie sie sahen. Die Schnelligkeit, mit der sie sich von ihren Stühlen erhoben, irritierte Ruth.

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