Chuzpe: Roman (German Edition)
all diese Dinge gekauft hatte. Garth wäre mit einem Schwarzweißfernsehgerät, einem Telefon und einem Radio völlig zufrieden gewesen. Der Kassettenrecorder in seinem Studio war acht Jahre alt, mit Farbe zugekleckert und hatte höchstens dreißig Dollar gekostet.
»Nein«, sagte Garth. »Ich spreche nicht von dir. Ich spreche von uns. Wir sind zweifellos nicht die finanziell umsichtigsten Zeitgenossen. Wir kümmern uns nicht um die besten Zinsen für unser Geld. Wir stöbern nicht nach den günstigsten Sonderangeboten, wenn uns irgend etwas gefällt. Wir fliegen Business-Klasse, wenn Touristenklasse es genauso täte.«
»Das gilt nicht für mich«, sagte Ruth. »Ich bin überzeugt, daß meine Krampfadern mich für Blutgerinnsel prädestinieren. Blutgerinnsel führen zu Embolien. Und Embolien sind die Vorstufe zum Schlaganfall.«
Garth mußte wieder lachen. »Ich wollte nicht sagen, daß wir uns anders verhalten sollen, als wir es tun«, sagte er. »Ich wollte nur sagen, daß wir uns so verhalten. Dieses Projekt«, sagte Garth, »wird deinen Vater sehr glücklich machen und sehr beschäftigt halten. Es hält sein Gehirn auf Trab und ihn lebendig.«
»Er ist lebendig genug ohne sein Projekt«, sagte Ruth. »Du solltest Zofias Ausschnitte sehen. Die würden jeden lebendig und wach halten.«
»Für deinen Vater ist es ein Jungbrunnen«, sagte Garth.
»Wie?« sagte Ruth. »Meinst du das eventuelle Restaurant oder Zofias Brüste?«
»Beides«, sagte Garth. »Du machst dir ein bißchen zu viele Gedanken über Zofias Brüste, mein Herz.«
Zehntes Kapitel
Ruth sah sich die neue Karte an, die sie entworfen hatte.
IN MEINEM HERZEN IST VIEL PLATZ
Und dieser Platz ist Dein, mein Schatz
Sie war mit der Karte zufrieden. Ihr Aussehen gefiel ihr. Das Papier der Karte war von gebrochenem Weiß und handgeschöpft. Die Aufschrift war mattschwarz geprägt. Die Aussage war schlicht. Und direkt. Die Firma, die ihre Karten vertrieb, hatte sie wissen lassen, daß immer mehr Läden ihre Karten bestellten. Ruth war wie elektrisiert. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß die Grußkarten so erfolgreich sein würden. Das Ganze hatte als Experiment begonnen. Es machte ihr Spaß, die Karten zu gestalten. Sie fand die Arbeit entspannend. Und wesentlich weniger anstrengend als das Briefeverfassen.
Max rief sie an. »Am Telefon ist Willie, der Besitzer von Scout«, sagte Max.
»Wer?« sagte Ruth. Dann erinnerte sie sich an das Durcheinander.
»Ich will ihn nicht sprechen«, sagte Ruth. »Bitten Sie ihn einfach in meinem Namen noch einmal um Entschuldigung.«
… »Ich glaube, darum geht es ihm nicht«, sagte Max. »Er klingt ziemlich vergnügt. Er heißt Willie Sonoma.«
»Okay«, sagte Ruth.
»Sie haben meinem toten Hund einen Brief anläßlich meines Todes geschrieben«, sagte Willie Sonoma zu Ruth.
»Ich weiß«, sagte Ruth. »Es ist mir sehr peinlich.«
»Ich bin Ihnen nicht böse«, sagte Willie Sonoma. »Man kann leicht durcheinanderkommen, wenn Hund und Herrchen ähnliche Namen haben. Ich hätte genausogut Scout und mein Hund hätte genausogut Willie heißen können.«
»Aber Sie waren nicht Scout, und er war nicht Willie«, sagte Ruth.
»Weiß ich«, sagte Willie Sonoma, »aber es hat mich nicht gestört. Das Kondolenzschreiben hat mich wirklich gerührt, und ich möchte mich bei Ihnen dafür bedanken.«
Um ein Haar hätte Ruth ihm erklärt, daß nicht sie das Kondolenzschreiben geschickt hatte, sondern James King. Daß sie es nur für ihn verfaßt hatte. Daß ihr kein Dank zustand. Aber sie hielt den Mund. Es hatte genug Wirrwarr um Scout und Willie gegeben. Oder um Willie und Scout. Sie wollte keine neuen Komplikationen zum Thema Briefabsender und Briefverfasser verursachen.
»Ich hätte gern gewußt, ob Sie einen Dankesbrief für mich aufsetzen könnten«, sagte Willie Sonoma. »Einen Brief, den ich verschiedenen Leuten schicken kann. Ich bekomme so viele Kondolenzkarten zu Scouts Tod.«
»Ja, das tun wir gerne«, sagte Ruth. »Teilen Sie Max die erforderlichen Einzelheiten mit, und wir schreiben Ihren Brief mit dem größten Vergnügen.«
Es überraschte Ruth, daß so viele Leute den trauernden Besitzern verstorbener Hunde Kondolenzkarten schickten. Es war ein Markt, der sie nicht verlockte. Sie nahm an, daß ihr Desinteresse an Hunden, wenn nicht gar ihre Abneigung gegen Hunde, sich im Ton ihrer Briefe bemerkbar machen würde.
»Ich danke Ihnen«, sagte Willie Sonoma. »Und Ihr Brief hat mir wirklich sehr gut
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