Chuzpe: Roman (German Edition)
Hühnerfleisch und Zwiebeln und Eier und Paniermehl und Salz und Pfeffer. Wenn ich Klopse aus Hühnerfleisch und Rosinen mache, die ich in Zoppot oft gemacht habe, nehme ich wieder Huhn, Eier, Paniermehl, Salz und Pfeffer; neu dazu kommen nur Rosinen und Knoblauch und Kardamom und ein bißchen Honig.«
Ruth mußte sich eingestehen, daß diese Klopse aus Hühnerfleisch und Rosinen sehr verlockend klangen.
»Zofia macht sehr gute Schweinefleischklopse«, sagte Walentyna. »Aus Schweinefleisch, Äpfeln, Rosinen und geräucherter Kielbasa.«
»Bei dem polnischen Metzger an der First Avenue bekommt man sehr gute geräucherte Kielbasa«, sagte Zofia.
Zofia schien sich in New York besser auszukennen als die meisten New Yorker. Sie wußte, wo sich die Schwimmbäder befanden und an welchen Stränden man schwimmen gehen konnte. Sie wußte, welche Gerichte die Restaurants in den verschiedenen Stadtteilen anboten. Und wo man polnische Schreiner und Installateure und polnische Kielbasa finden konnte. Ruth konnte sich nicht entscheiden, ob sie beeindruckt oder eingeschüchtert sein sollte.
»Die geräucherte Kielbasa esse ich nicht so gerne«, sagte Edek. »Ich mag lieber einfache Kielbasa. Ich mag überhaupt nichts, was ist geräuchert.«
»Wahrscheinlich hattest du in Auschwitz mehr als genug Rauch für deinen Geschmack«, sagte Ruth, und dann fragte sie sich, wie sie das hatte sagen können. Zofia und Walentyna blickten ernst drein.
»Walentyna und ich sind sehr traurig über das, was den jüdischen Menschen in Polen angetan wurde«, sagte Zofia.
»Die meisten Polen haben das anders gesehen«, sagte Ruth. »Die meisten Polen waren froh, ihre Juden loszuwerden.«
»Ruthie, Zofia und Walentyna sind keine solchen Polen«, sagte Edek. »Damals waren sie noch kleine Mädchen.«
»Es tut mir leid«, sagte Ruth.
»Das macht doch nichts, Ruthie«, sagte Zofia. »Edek hat sehr viel durchgemacht.«
»Und Rooshka genauso«, sagte Edek.
Alle blickten tieftraurig drein. Wie hatte sie von Kielbasa nach Auschwitz geraten können? fragte sich Ruth. Sie wünschte, sie hätte nichts gesagt. Verzweifelt versuchte sie das Gespräch wieder auf das Thema Klopse zu bringen. Oder auf gebrauchtes Küchenzubehör. Oder alte Tische und Stühle. Oder worauf auch immer.
»Wie backen Sie die Klopse?« fragte sie Zofia.
»Zofia backt sie in Muffinformen«, sagte Walentyna.
»In Polen gibt es keine Muffins«, sagte Zofia.
»Sowieso nicht«, sagte Edek. »Muffins sind das Letzte.«
»Ich mag keine Muffins«, sagte Walentyna.
»Ich mag auch keine Muffins«, sagte Zofia.
»Ich mag auch keine Muffins«, sagte Ruth rasch. Sie war froh, Gelegenheit zu haben, sich solidarisch zu zeigen, als Teil der Gruppe. Sie wollte die Verstimmung bereinigen, die sie ausgelöst hatte. »Ich finde Muffins ekelhaft«, sagte sie.
»Muffins sind wirklich das Letzte«, sagte Edek.
»In Polen habe ich Plätzchenformen benutzt, um meine Fleischklopse zu backen«, sagte Zofia.
»Nun ja, eigentlich sind Muffins nichts anderes als Plätzchen«, sagte Ruth. »Schlechte Plätzchen.«
»Grauenhafte Plätzchen«, sagte Edek.
Die Muffins hatten alle Unstimmigkeiten ausgeräumt. Alle wirkten erleichtert. Die Verständigung über Muffins hatte sie miteinander verbündet. Vereint.
»Wir haben sehr gute Muffinformen gefunden«, sagte Zofia. »Die Ausbuchtungen sind rund, nicht konisch. Und sie haben genau die richtige Größe.«
Zofias Worte »genau die richtige Größe« hatten etwas Lüsternes, unabhängig vom Anlaß. Eine Lüsternheit, die sich keck behauptete. Eine Lüsternheit, mit der man Sittenwächtern unangenehm auffallen konnte.
»Die Klopse eignen sich auch gut für Sandwiches«, sagte Zofia. »Wir werden Klopssandwiches in dem Restaurant anbieten.«
»Die Klops aus Rindfleisch und Kalbfleisch mit ein bißchen von dem Purpurkohl in einem Brötchen sind nicht von dieser Welt«, sagte Edek. »Ich glaube, wir werden verkaufen viele solcher Sandwichklops.«
Sandwichklops. Der Klang gefiel Ruth. Sie geriet in eine Träumerei – Sandwichklops, Hoppelpops, Moppelpops, und das letzte Wort holte sie in die Realität zurück, denn es erinnerte sie an Zofias Möpse. Sie schüttelte sich. Sie wollte nicht länger daran denken. Ihre Mutter hatte früher auch Klopse gemacht. Fleischklopse. Sie hatten sie mit dem jiddischen Wort Kotlatten bezeichnet. Rooshka hatte das Fleisch selbst durch den Wolf gedreht und die Klopse mit der Hand geformt. Alle Fleischklopse waren
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