Chuzpe: Roman (German Edition)

fast. Und machte sie glücklich. Es machte sie normaler.
    »Ruft mein Vater dich von seinem Handy aus an, um dir von diesen Supersonderpreisen zu erzählen? Von seinem Handy, wo jede Minute anderthalb Dollar kostet?« fragte Ruth.
    »Schon möglich«, sagte Garth. »Sie haben Kostenvoranschläge von fast zwanzig Installateuren eingeholt. Und der, den sie beschäftigen, macht es für die Hälfte. Das gleiche gilt für den Schreiner. Dein Dad ist fast hysterisch vor Begeisterung. Er liebt Sonderangebote.«
    »Das kannst du laut sagen«, sagte Ruth. »Er hat mir oft genug von den Preisen für Mineralwasser und Klopapier in Chinatown vorgeschwärmt.«
    »Mir auch«, sagte Garth.
    »Wenigstens gibt es einen Zusammenhang zwischen den beiden Artikeln«, sagte Ruth. »Wer eine Menge Wasser trinkt, braucht unstreitig eine Menge Klopapier.«
    »Dein Vater hat mir auch erzählt, daß deine Grußkarten sich gut verkaufen. Er hat gesagt, er habe ein paar gelesen und finde sie sehr gut«, sagte Garth.
    »Inzwischen ist er also Fachmann für Fleischklopse und für Grußkarten«, sagte Ruth. »Woher will er wissen, daß sie sich gut verkaufen?«
    »Er sagt, er habe Max gefragt«, sagte Garth. »Er hat auch gesagt, daß du zuviel arbeitest und daß du Zofias Spinatklopse gegessen hast, als du bei ihnen zum Abendessen eingeladen warst. Zwei Portionen.«
    »Gab es einen Zusammenhang zwischen meiner Arbeit und den zwei Portionen Spinatklopse?« fragte Ruth.
    »Davon hat er nichts gesagt«, sagte Garth.
    Ruth schwieg einen Augenblick. »Kann ich dich etwas fragen?« sagte sie. »Habe ich jemals meine Beine um dich geschlungen?«
    Garth lachte. »Ich habe gerade darüber nachgedacht«, sagte Ruth. »Schlinge ich meine Beine um dich, wenn wir Sex haben? Ich weiß nicht genau, was ich tue.«
    Garth lachte immer noch.
    »Ich meine die Frage ernst«, sagte Ruth. »Ich will wissen, ob ich jemals meine Beine um dich geschlungen habe. Das habe ich doch sicher getan, oder?«
    »Süße, wir hatten schon so oft Sex«, sagte Garth. Ruth rechnete schnell im Kopf nach. Wenn sie im Durchschnitt zweimal in der Woche Sex hatten, ergäbe das im Lauf von fünfundzwanzig Jahren zweitausendsechshundert Male.
    »Wir hatten viele tausend Male Sex«, sagte Garth.
    »Vermutlich an die zweitausendsechshundert Male«, sagte Ruth.
    Garth lachte wieder. »Das beeindruckt mich«, sagte er.
    »Aber habe ich je dabei meine Beine um dich geschlungen?« fragte Ruth.
    »Natürlich hast du deine Beine um mich geschlungen«, sagte Garth.
    »Wann?« fragte Ruth.
    »Datum und Uhrzeit kann ich dir nicht nennen«, sagte Garth. »Manchmal schlingst du deine Beine um mich, manchmal liegst du flach auf dem Rücken, manchmal streckst du die Beine in die Luft.«
    »Tatsächlich?« sagte Ruth. »Ich bin sehr froh, daß ich das jetzt weiß.«
    Edek rief Ruth an. Seine Stimme klang fast atemlos vor Aufregung. »Ruthie, Liebling, kannst du für ein paar Minuten kommen nach Williamsburg?« sagte er.
    »Ich soll nach Williamsburg kommen? Jetzt sofort?« sagte Ruth.
    »Ja, Ruthie, bitte«, sagte Edek. »Es ist nicht so weit. Wo wir sind, ist ganz in der Nähe von der Williamsburg Bridge. Du brauchst vielleicht zehn Minuten, wenn du nimmst ein Taxi.«
    Ruth fiel mit einemmal auf, daß Edek, Zofia und Walentyna sich in New York mit einer Sicherheit, Gewandtheit und Vertrautheit bewegten, über die sie selbst nicht verfügte. Sie verließ Manhattan nur in Ausnahmefällen. Und war orientierungslos, sobald sie eine Brücke überquerte oder in einen Tunnel einfuhr, der nach New Jersey oder Brooklyn oder nach der Bronx oder Staten Island führte.
    »Ich kann jetzt nicht weg«, sagte Ruth. »Ich habe an die zwanzig Briefe zu schreiben.«
    Tara McGann hatte aufgehört. Sie arbeitete nach wie vor abends und schrieb mit der Hand die Briefe ab, die für sie vorgetippt waren, aber sie arbeitete nicht mehr tagsüber für Ruth. Es hatte ihre Promotion zu stark verzögert.
    »Es dauert nur ein paar Minuten, Ruthie«, sagte Edek. »Ich weiß, daß du hast noch mehr zu tun als früher, weil Terra hat aufgehört.«
    »Woher weißt du das?« fragte Ruth.
    »Weil Max es mir hat erzählt«, sagte Edek.
    Gab es irgend etwas in ihrem Leben, was ihr Vater nicht wußte? Vielleicht wußte er nicht, daß sie an die zweitausendsechshundert Male mit Garth Sex gehabt hatte, dachte sie sich.
    »Ich und Zofia und Walentyna wollen dir zeigen einige Möbel, was wir haben gekauft für das Restaurant«, sagte Edek. »Wir sind