CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
zur Abwechslung mal einen Gewehrlauf vor der Nase haben? Also, wollen wir mal über Berlin und andere Themen meiner Wahl reden.‹« Niemand scheint ihm geglaubt zu haben. »Die Experten waren einhellig und eisern der Meinung, dass dieses Szenario ganz und gar jenseits der Möglichkeit lag«, vermerkt eine CIA-interne Geschichte der McCone-Jahre. »Er stand völlig allein da.«
Die Skepsis hinsichtlich der Fähigkeit der CIA, das Verhalten der Sowjets vorherzusagen, wuchs allmählich. Über ein Jahrzehnt lang hatten sich die wissenschaftlichen Experten des Hauses beständig geirrt. »Die CIA kam jedes Mal an und malte ein höchst furchterregendes Bild dessen, was die Sowjets uns alles antun würden: Wir würden zweitklassig werden, und die Sowjets würden die Nummer eins«, sagte etwa der ehemalige Präsident Gerald R. Ford, der 1962 im abgeschotteten Unterausschuss des Repräsentantenhauses saß, der die geheimen Gelder für die CIA bewilligte. »An den Wänden hatten sie ihre Kurvendiagramme, sie hatten Zahlen, und ihr Fazit war, dass die Vereinigten Staaten binnen zehn Jahren auf dem Gebiet der militärischen Schlagkraft und des Wirtschaftswachstums hinter der Sowjetunion zurückliegen würden«, berichtet Ford. »Es war eine beängstigende Vorstellung. Tatsache war aber, dass sie um 180 Grad falsch lagen. Das waren die besten Leute, die wir hatten, die so genannten Experten der CIA.«
»Die gefährlichste Gegend der Welt«
Am 15.August kam McCone erneut ins Weiße Haus, um zu beraten, wie Cheddi Jagan, der Premierminister von Britisch-Guyana, einer Elendskolonie an den südamerikanischen Schlammküsten der Karibik, am besten zu stürzen sei.
Jagan, ein in den Vereinigten Staaten ausgebildeter Zahnarzt, der mit Janet Rosenberg, einer Marxistin aus Chicago, verheiratet war, entstammte einer Plantagenarbeiterfamilie. Er war schon 1953 ein erstes Mal gewählt worden. Kurz darauf hob Winston Churchill die Kolonialverfassung auf, erklärte die Regierung für aufgelöst und warf die Jagans ins Gefängnis. Nachdem die Briten die Kolonialverfassung wieder in Kraft gesetzt hatten, wurden sie auf freien Fuß gesetzt. Jagan wurde zwei Mal wiedergewählt und besuchte im Oktober 1961 das Weiße Haus.
»Ich fuhr zu Präsident Kennedy, um ihn um die Hilfe der Vereinigten Staaten zu bitten und um seine Unterstützung für unsere Unabhängigkeit von den Briten zu werben«, erinnert sich Jagan. »Er war sehr charmant und vergnügt. Nun fürchteten die USA, ich könnte Guyana den Russen ausliefern. Ich sagte: ›Wenn dies Ihre Befürchtung ist, seien Sie unbesorgt. Wir werden keinen sowjetischen Stützpunkt zulassen.‹«
In der Öffentlichkeit – in einem Interview mit Chruschtschows Schwiegersohn, seinerzeit Herausgeber der Iswestija , vom November 1961 – verkündete Kennedy, dass »die Vereinigten Staaten den Gedanken unterstützen, dass jedes Volk das Recht haben soll, die Regierungsform frei zu wählen, die es für richtig hält«. Cheddi Jagan möge »ein Marxist« sein, meinte er, »aber die Vereinigten Staaten haben keinerlei Einwände, weil diese Entscheidung durch eine einwandfreie Wahl herbeigeführt wurde, die er gewonnen hat«.
Nichtsdestotrotz beschloss Kennedy den Einsatz der CIA, um Jagan aus dem Amt zu jagen. Nicht lange nach Jagans Besuch im Weißen Haus wurde der Kalte Krieg in Georgetown, der Hauptstadt Guyanas, angeheizt. Zuvor völlig unbekannte Radiosender nahmen plötzlich den Sendebetrieb auf. Öffentliche Bedienstete legten die Arbeit nieder. Aufstände brachen aus, bei denen mehr als hundert Menschen zu Tode kamen. Die Gewerkschaften revoltierten, nachdem sie vom American Institute for Free Labor Development mit guten Ratschlägen und Geld versorgt worden waren. Das Institut hatte seinerseits Beratung und Gelder von der CIA erhalten. In diesem Zusammenhang stellte Arthur Schlesinger, der damalige Sonderberater und Hofhistoriograph des Weißen Hauses in der Kennedy-Ära, dem Präsidenten die folgende Frage: »Ist die CIA der Überzeugung, eine wirklich verdeckte Operation durchziehen zu können, d.h. eine Operation, die, welchen Verdacht Jagan bisher schon geschöpft haben mag, keine sichtbaren Spuren hinterlässt, auf die er sich, egal ob er aus der Sache als Gewinner oder Verlierer hervorgeht, vor der Welt als Beweis für eine US-Intervention berufen kann?«
Am 15.August 1962 beschlossen Präsident Kennedy, McCone sowie der nationale Sicherheitsberater McGeorge Bundy, dass es an der Zeit sei,
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