CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
unschätzbaren Hilfe der mexikanischen Geheimpolizei hatte das CIA-Büro in Mexiko-Stadt im Rahmen einer Operation mit dem Codenamen »Envoy« die sowjetische und kubanische Botschaft abgehört. Die CIA besaß einen Mitschnitt von Oswalds Anruf.
»Mexiko verfügte über das weltweit größte und aktivste Operationsprogramm zum Abhören von Telefonen«, erläuterte Whitten in seiner Aussage. »J. Edgar Hoover kriegte jedes Mal leuchtende Augen, wenn er an das Mexiko-Büro dachte.« Auf diese Weise wurden etliche US-Soldaten von Militärstützpunkten im Südwesten der USA bei dem Versuch gefasst, militärische Geheimnisse zu verkaufen oder in Mexiko-Stadt zu den Russen überzulaufen. Die CIA hatte zudem die fotografische Überwachung der sowjetischen Botschaft organisiert und öffnete jeden ein- und ausgehenden Brief.
Die Abhöraktionen waren allerdings so umfangreich, dass das Büro geradezu mit Material überschwemmt wurde und in nutzlosen Informationen ertrank. Erst acht Tage nach dem Mitschnitt konnte das Büro daher das Band vom 1.Oktober abhören, meldete sodann Oswalds Besuch und fragte im Hauptquartier nach: Wer ist Lee Oswald? Die CIA wusste, dass er ein amerikanischer Marineinfanterist gewesen war, der im Oktober 1959 mit Ansage über die Medien in die Sowjetunion übergewechselt war. In seinen Unterlagen befand sich eine vom FBI und dem Außenministerium zusammengestellte Sammlung über Oswalds wiederholte Bemühungen, seine amerikanische Staatsbürgerschaft aufzugeben, seine Drohungen, den Sowjets die geheimen amerikanischen Militäreinrichtungen im Pazifik zu verraten, seine Heirat mit einer Russin und seine Rückkehr in die USA im Juni 1962.
Während Oswalds Aufenthalt in der Sowjetunion »verfügte die CIA über keine Quellen, die über seine dortigen Aktivitäten oder über das, was der KGB womöglich mit ihm vorhatte, hätten Aufschluss geben können«, schrieb Whitten in einem internen Bericht. Aber »es wurde vermutet, dass der KGB Oswald und alle übrigen ihm ähnlichen Überläufer in der Hand hat. Wir waren sicher, dass alle diese Überläufer vom KGB verhört würden, dass sie überall von KGB-Informanten umringt seien, egal wo sie in der Sowjetunion einen Wohnsitz erhalten haben, und dass sie möglicherweise vom KGB für einen späteren Auslandseinsatz rekrutiert würden.«
Whitten kam der Gedanke, dass der Mann, der den Präsidenten erschossen hatte, ein kommunistischer Agent sein könnte. Er griff nach dem Telefonhörer und ersuchte Helms, die Anweisung zu geben, unverzüglich alle Bänder und Mitschriften der »Envoy«-Operation in Mexiko-Stadt durchsehen zu lassen. Win Scott, der dortige Büroleiter, rief sofort den mexikanischen Staatspräsidenten an, dessen Geheimpolizei sodann zusammen mit den Abhörspezialisten der CIA die ganze Nacht lang nach Hinweisen auf Oswalds Stimme forschte.
Als McCone ins Hauptquartier zurückkehrte, hatte sich schon herumgesprochen, dass eine Akte über Oswald existierte. Über sechs Stunden folgte eine hektische Sitzung der anderen, die letzte wurde auf 23 Uhr 30 angesetzt. Als McCone erfuhr, dass die CIA im Vorfeld von Oswalds Reise zur sowjetischen Botschaft nach Mexiko-Stadt Kenntnis gehabt hatte, war er außer sich und machte seine Assistenten herunter, so wütend war er über die Art und Weise, wie die Dinge in der Agency liefen.
Die internen Ermittlungen der CIA liefen am Samstagmorgen, den 23.November, an. Helms rief die Abteilungsbosse zusammen, einschließlich James Angletons, des Chefs der Spionageabwehr seit 1954. Angleton war in jeder Hinsicht davon ausgegangen, dass ihm der Fall Oswald übertragen werde. Empört musste er erleben, dass Helms John Whitten die Sache anvertraute.
Whitten war ein Mann, der wusste, wie man eine Verschwörung aufdröselt. Im Zweiten Weltkrieg hatte er Erfahrungen bei den Verhören von Kriegsgefangenen gesammelt und war 1947 zur CIA gestoßen. Er war der Erste, der bei der CIA den Lügendetektor einsetzte. Seit Beginn der fünfziger Jahre hatte er ihn bei Hunderten von Verhören bei Doppelagenten, falschen Überläufern und Nachrichtenfälschern in Deutschland verwandt. Er hatte einige der ärgsten Täuschungsmanöver aufgedeckt, die gegen die CIA versucht worden waren, darunter der Coup eines Schwindlers, der dem Wiener Büro ein gefälschtes Buch mit Fernmeldecodierungen angedreht hatte. Ein weiterer von ihm geknackter Fall betraf einen in Italien eingesetzten Agenten, den Angleton auf fünf verschiedene
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