CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
ist verlorengegangen oder vernichtet worden. Seine Kernaussage war, so Whitten, dass die CIA keinen unwiderleglichen Beweis hatte, dass Oswald ein Agent Moskaus oder Havannas war – aber möglicherweise war er es.
»Wir verhielten uns ganz, ganz vorsichtig«
Am Dienstag, den 26.November, gab John McCone dem neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten offiziell einen Überblick über die geheimdienstliche Nachrichtenlage. »Mit deutlicher Geringschätzung nahm der Präsident den Sachverhalt auf, dass gewisse Leute im Justizministerium ihm am Samstag zugeredet hatten, eine unabhängige Untersuchung zur Ermordung von Präsident Kennedy durchführen zu lassen«, gab McCone in seinen täglichen Aufzeichnungen zu Protokoll. »Präsident Johnson wies diesen Vorschlag zurück.«
Zweiundsiebzig Stunden später machte er, entgegen seinem spontanen Gefühl, einen Rückzieher. Am 29.November, am Tag nach Erntedank, beschwatzte er einen widerstrebenden Earl Warren, den Vorsitzenden Richter am Obersten Gerichtshof, die Leitung der Untersuchung zu übernehmen. Die restlichen Mitglieder der zukünftigen Warren-Kommission brachte er in einer fünfstündigen Runde hitziger Telefongespräche unter einen Hut. Er folgte der Empfehlung von Robert Kennedy und rief einen überraschten und konfusen Allen Dulles zu Hause an. »Haben Sie die Nachwirkungen meines früheren Wirkens und meiner früheren Tätigkeit bedacht?«, erkundigte sich Dulles. Johnson erwiderte hastig, dass er das bedacht habe, und legte auf. Danach rief Dulles sofort James Angleton an.
Draußen war es bereits dunkel, und der Präsident beeilte sich, die Kommission noch vor Redaktionsschluss der Abendzeitungen zusammenzubekommen. Er ging noch einmal die Liste der von ihm Ausgewählten durch. Diskretion ist das A und O, sagte der Präsident: »Es geht nicht an, dass das Abgeordnetenhaus und der Senat und das FBI und andere hingehen und überall rumerzählen, dass Chruschtschow Kennedy umgebracht hat oder dass Castro ihn umgebracht hat.« Dem Abgeordneten Gerald R. Ford schärfte er ein, dass er Leute in der Kommission haben wolle, die wüssten, wie die CIA arbeitet. Der wichtigste Anruf kam kurz vor 21 Uhr. Der Anrufer war Johnsons hochgeschätzter Mentor, Senator Richard Russell, der Mann, der im Kongress der CIA genauestens auf die Finger gesehen hatte. Er meldete sich aus Winder, Georgia. Obgleich LBJ seinen Namen als Mitglied der Warren-Kommission den Nachrichtenagenturen längst durchgegeben hatte, machte Russell Miene, dem Präsidenten einen Korb zu geben.
» Sie werden verdammt nochmal ganz sicher da reingehen , das sage ich Ihnen«, brüllte der Präsident ihn an. »Sie werden jetzt Ihren Namen dafür hergeben, weil Sie der Vorsitzende des CIA-Ausschusses sind.« Johnson wiederholte, dass er verantwortungsloses Gerede etwa von der Art, dass Chruschtschow Kennedy getötet habe, nicht dulden werde.
»Was soll ich sagen, ich glaube nicht, dass er es direkt getan hat«, sagte Senator Russell am anderen Ende der Leitung, »ich wäre aber nicht überrascht, wenn Castro etwas damit zu tun hätte.«
Die Einsetzung der Warren-Kommission stürzte Richard Helms in ein schwer erträgliches moralisches Dilemma. »Helms wurde bewusst, dass die Enthüllung der Mordkomplotte ein äußerst schlechtes Licht auf die Agency werfen würde, und auch er selbst würde dann schlecht dastehen, und dass sich unter Umständen herausstellen könnte, dass die Kubaner diesen Mord als Vergeltung für unsere Aktionen zur Tötung Castros ausgeführt haben. Dies würde verheerende Auswirkungen auf ihn selbst und auf die Agency haben«, so die Aussage von John Whitten.
Helms wusste dies nur zu genau. »Wir verhielten uns ganz, ganz vorsichtig«, sagte er fünfzehn Jahre später in einer streng geheimen Aussage. »Wir waren damals sehr in Sorge darüber, was alles in diesem Zusammenhang hochkommen könnte … Wenn man eine ausländische Regierung beschuldigt, für eine solche Tat verantwortlich zu sein, dann zerreißt man den Schleier so grob, wie man nur kann.«
Die drohende Enthüllung der Komplotte gegen Castro stellte auch für Robert Kennedy eine schier unerträgliche Belastung dar. Also hielt er ebenfalls den Mund.
Der Präsident hatte das FBI angewiesen, in der Sache der Ermordung des ehemaligen Präsidenten zu ermitteln, er hatte der CIA befohlen, in vollem Umfang zu kooperieren, und beide Institutionen angehalten, ihre Ermittlungsergebnisse der Warren-Kommission zugänglich zu
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