CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
eine rücksichtslos ehrliche CIA-Studie zukommen. »Das beiliegende Papier birgt Sprengstoff«, begann Helms’ Begleitbrief, »zumal wenn von seiner Existenz etwas durchsickerte. Kein anderes Mitglied der Regierung hat oder wird es erhalten.« Schon der Titel des Berichts – »Folgen eines ungünstigen Ausgangs in Vietnam« – war explosiv. Das Papier gelangte zu dem »zwingenden Schluss«, dass »die USA im Rahmen der Beschränkungen, die ihre Traditionen und das Bewusstsein der Öffentlichkeit ihnen auferlegen, außer Stande sind, eine revolutionäre Bewegung zu zerschlagen, sofern diese groß, engagiert und kompetent genug ist und ausreichende Unterstützung erhält. (…) Die Struktur der Militärmacht der USA ist wenig geeignet, mit einem Guerillakrieg fertig zu werden, den ein entschlossener, einfallsreicher und politisch kluger Gegner führt. Diese Einsicht ist nicht neu.«
In Saigon gewannen die besten Beamten der CIA ihre eigenen Einsichten. Je mehr nachrichtendienstliche Informationen sie zusammentrugen, umso deutlicher wurde ihnen, wie wenig sie wussten.
Mittlerweile aber spielte es kaum noch eine Rolle, was die CIA nach Washington berichtete. Noch nie hatte ein Krieg stattgefunden, in dem die militärische Führung mit größeren Mengen nachrichtendienstlicher Informationen versorgt war und in dem erbeutete Unterlagen des Feindes, brutale Verhöre von Kriegsgefangenen, elektronische Abhörvorrichtungen, Aufklärung aus der Luft, Feldberichte, die durch das Blut und den Schlamm der Frontlinien zum CIA-Büro in Saigon gelangten, sorgfältige Analysen, statistische Untersuchungen, vierteljährliche Abgleichungen sämtlicher Kenntnisse, über die CIA und Militär verfügten, eine so große Rolle gespielt hatten. In einer alten, nicht weit vom Pentagon entfernten Torpedofabrik befinden sich heute zwölf Kilometer Mikrofilm, ein kleiner Teil des Archivs des amerikanischen Nachrichtendienstes, das jenen Krieg dokumentiert.
Nie zuvor hatte so viel Information so wenig Bedeutung. Geführt wurde der Krieg im Rahmen einer Reihe von Lügen, die die Politiker sich selbst und dem amerikanischen Volk auftischten. Das Weiße Haus und das Pentagon versuchten, dem Volk weiszumachen, dass der Krieg bestens laufe. Das letzte Wort aber hatten die Tatsachen auf dem Kriegsschauplatz.
26 »Eine politische Wasserstoffbombe«
Am 13.Februar 1967 hielt sich Richard Helms im Albuquerque auf und hatte gerade einen langen Tag mit Besichtigungen des amerikanischen Nuklearwaffenlabors hinter sich, als ihn ein überaus aufgeregter CIA-Verbindungsoffizier in seinem Hotelzimmer mit einer Nachricht aus dem Weißen Haus aufsuchte: Sofort nach Washington zurückkommen!
Eine kleine linksgerichtete Monatszeitschrift namens Ramparts stand im Begriff, eine Story zu veröffentlichen, in der berichtet wurde, die National Student Association, eine geachtete, weltweit aktive Gruppe amerikanischer Collegestudenten, erhalte seit Jahren großzügige Zuwendungen von der Agency. Die CIA-Zentrale hatte das Weiße Haus gerade warnend darauf hingewiesen, es werde einen Sturm der Entrüstung auslösen, wenn bekannt werde, »dass die CIA ihre Finger in privaten Freiwilligenorganisationen und Stiftungen hat. Man wird der CIA vermutlich vorwerfen, sich in unangemessener Weise innenpolitisch zu engagieren und unschuldige junge Menschen zu verführen und in Gefahr zu bringen. Wahrscheinlich wird die Regierung in die Schusslinie geraten.«
Als die Geschichte herauskam, erklärte Präsident Johnson auf der Stelle, Nick Katzenbach, der zweithöchste Mann im Außenministerium, werde eine umfassende Untersuchung der Beziehungen leiten, die von der CIA zu privaten Freiwilligenorganisationen in den Vereinigten Staaten geknüpft worden seien. Da Helms der Einzige war, der über die Vorgänge genau Bescheid wusste, »überließ es LBJ mir, die angekohlten Kastanien der Agency aus dem Feuer zu holen«.
James Reston von der New York Times stellte hellsichtig fest, dass nun auch die Verbindungen der CIA zu gewissen Rundfunksendern, Publikationsorganen und Gewerkschaften ins Visier gerieten. In kürzester Frist wurden zwei Jahrzehnte Geheimdiensttätigkeit der CIA aufgedeckt.
Radio Free Europe, Radio Liberty und der Congress for Cultural Freedom wurden als Schöpfungen der CIA entlarvt. All die einflussreichen kleinen Zeitschriften, die unter dem Banner eines linksliberalen Antikommunismus gesegelt waren, all die außerordentlich angesehenen Gruppierungen, durch
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