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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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Osten, Bill Colby, hatten ihre Karriere mit verdeckten Aktionen gemacht, und ihre Berichte an den Präsidenten spiegelten die »Alles-ist-machbar«-Haltung des alten Geheimdienstes wider. »Diese Organisation wird alles tun, um zum Erfolg des Gesamtprogramms der USA in Vietnam beizutragen«, erklärte Helms gegenüber LBJ. Colby schickte dem Weißen Haus einen Bericht, in dem er das Büro der CIA in Saigon in den höchsten Tönen pries. »Der Krieg ist zwar noch keineswegs vorbei«, schrieb er, aber »meine sowjetischen und chinesischen Kollegen dürften in ihren Berichten große Besorgnis äußern wegen der wachsenden Probleme des Vietkong und der kontinuierlich zunehmenden Fähigkeit sowohl der Südvietnamesen als auch der Amerikaner, einen Volkskrieg zu führen.« George Carver, den sich Helms als speziellen Mitarbeiter für vietnamesische Angelegenheiten ausgesucht hatte, überschüttete ebenfalls das Weiße Haus mit frohen Botschaften.
    Die besten Analysten der CIA freilich gelangten in einer ausführlichen Studie vom Umfang eines Buches mit dem Titel Der Durchhaltewille der vietnamesischen Kommunisten , die sie an das Weiße Haus und an vielleicht ein Dutzend führende Leute in der Regierung schickten, zu dem Schluss, dass nichts von dem, was die Amerikaner unternähmen, den Feind in die Knie zwingen könne. Als Verteidigungsminister McNamara diesen Bericht am 26.August 1966 las, rief er sofort Helms an und bat um ein Treffen mit dem leitenden Experten für Vietnam. Zufällig hatte Carver in dieser Woche Urlaub. Also fand sich sein Stellvertreter, George Allen, zum ersten und einzigen Mal ins innerste Heiligtum des Pentagons zu einem Gespräch mit dem Verteidigungsminister zitiert. Er hatte einen Termin morgens um 10 Uhr 30 für ein halbstündiges Gespräch. Wie sich herausstellte, war dies der einzige echte Gedankenaustausch zwischen CIA und Pentagon während der Präsidentschaft Lyndon Johnsons.
    McNamara fand es faszinierend, dass Allen sich bereits siebzehn Jahre lang mit Vietnam beschäftigte. Er kenne niemanden, der sich dem Kampf dort schon so lange widme. Dann müsse Allen doch wohl eine Vorstellung davon haben, was zu tun sei. »Er wollte wissen, was ich an seiner Stelle tun würde«, erinnerte sich Allen. »Ich beschloss, ehrlich zu antworten.«
    »Hören Sie auf damit, die amerikanischen Streitkräfte immer weiter aufzustocken«, sagte er. »Stoppen Sie die Bombardements im Norden und handeln Sie mit Hanoi einen Waffenstillstand aus.« McNamara rief seine Sekretärin und trug ihr auf, alle Termine bis nach dem Mittagessen abzusagen.
    Welchen Grund, wollte der Verteidigungsminister wissen, hätten die Vereinigten Staaten, die Dominosteine in Asien umpurzeln zu lassen? Das Risiko, antwortete Allen, sei am Verhandlungstisch nicht größer als auf dem Kriegsschauplatz. Wenn die Vereinigten Staaten die Bombardements einstellten und mit China und der Sowjetunion sowie mit den asiatischen Verbündeten und Gegnern Verhandlungen begännen, sei vielleicht noch ein ehrenvoller Friede möglich.
    Nachdem er sich neunzig Minuten lang diese fesselnden häretischen Überlegungen angehört hatte, traf McNamara drei schicksalsschwere Entscheidungen. Er bat die CIA um eine Gefechtsaufstellung, eine Einschätzung der Stärke der gegen die Vereinigten Staaten aufgebotenen feindlichen Streitmacht. Er beauftragte seine Mitarbeiter unter dem Siegel strengster Geheimhaltung, eine Geschichte des Krieges seit 1954 zu erarbeiten – die so genannten Pentagon-Papiere. Und er stellte für sich das Engagement in Vietnam in Frage. Am 19.September erklärte McNamara dem Präsidenten am Telefon: »Ich für mein Teil bin mehr und mehr überzeugt davon, dass wir unbedingt Vorbereitungen für eine Beendigung der Bombardierungen im Norden treffen sollten. Ich meine auch, wir sollten uns, wie ich schon sagte, über eine Obergrenze unseres Truppeneinsatzes Gedanken machen. Ich finde, wir dürfen die Zahlen nicht einfach immer höher- und höherschrauben – sechshunderttausend, siebenhunderttausend, was eben in Zukunft gebraucht wird.« Die Antwort des Präsidenten erschöpfte sich in einem unverständlichen Grunzen.
    McNamara war – zu spät – klar geworden, dass die Vereinigten Staaten die Stärke der Aufständischen, denen in Vietnam amerikanische Soldaten zum Opfer fielen, dramatisch unterschätzt hatten. Dieser fatale Fehler sollte sich Jahre später im Irak wiederholen. Die von ihm in Auftrag gegebene Studie über die

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