CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Höchstwahrscheinlich drückte sich LBJ weniger gewählt aus.
In krasser Verletzung seiner ihm vom Gesetz eingeräumten Kompetenzen wurde der Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes zu einer Art Geheimpolizeichef im Nebenberuf. Die CIA begann eine inneramerikanische Überwachungsoperation unter dem Codenamen »Chaos«. Sie lief fast sieben Jahre. Helms schuf für das Ausspionieren von Amerikanern eine Sondereinsatzgruppe und versteckte sie raffiniert im Schatten der Gegenspionageabteilung von Angleton. Elf CIA-Beamte ließen sich die Haare wachsen, lernten den Jargon der Neuen Linken und machten sich daran, Friedensgruppen in den Vereinigten Staaten und in Europa zu infiltrieren. Die CIA stellte einen Computerindex zusammen, der 300 000 Namen amerikanischer Personen und Organisationen umfasste, und legte über 7200 Bürger ausführliche Akten an. Heimlich begann sie, mit Polizeibehörden überall im Land zusammenzuarbeiten. Da sie keine klare Trennlinie zwischen der extremen Linken und dem Gros der Kriegsgegner ziehen konnte, spionierte sie jede größere Organisation in der Friedensbewegung aus. Auf die durch Helms und den Verteidigungsminister übermittelte Anweisung des Präsidenten hin brachte die Nationale Sicherheitsbehörde ihre ungeheuren Abhörkapazitäten gegenüber amerikanischen Staatsbürgern zur Anwendung.
Sowohl der Präsident als auch Konservative im Kongress sahen eine Verbindung zwischen den Protesten gegen den Krieg und den Rassenunruhen, von denen die Vereinigten Staaten erschüttert wurden. Sie verlangten von der CIA den Beweis, dass hinter beidem Kommunisten steckten. Die CIA versuchte ihr Bestes.
Im Jahr 1967 waren die amerikanischen Ghettos zu Kriegsgebieten geworden; fünfundsiebzig verschiedene Aufstände in den großen Städten erschütterten die Nation und resultierten in 88 Todesopfern, 1397 Verletzten, 2157 Verurteilungen und in wirtschaftlichen Schäden in einer Größenordnung von schätzungsweise 664,5 Millionen Dollar. Dreiundvierzig Menschen kamen in Detroit um, sechsundzwanzig in Newark. Rasende Wut tobte in den Straßen von New York, Los Angeles, San Francisco, Boston, Cincinnati, Dayton, Cleveland, Youngstown, Toledo, Peoria, Des Moines, Wichita, Birmingham und Tampa. Am 25.Oktober verlangte Senator John McClellan, Demokrat aus Arkansas und Vorsitzender des Ständigen Unterausschusses des Senats in einem Brief an Helms Beweise dafür, dass die Black-Power-Bewegung in den Vereinigten Staaten von den Sowjets gelenkt werde. »Der Unterausschuss interessiert sich sehr für die Operationen verschiedener militanter Organisationen in diesem Land«, schrieb der Senator.
Moskau habe »im afrikanischen Ghana eine Spionage- oder Sabotageschule für Farbige« eingerichtet, erklärte McClellan, und amerikanische Staatsbürger hätten dort als Ausbilder gearbeitet. »Mutmaßlich kamen diese Lehrer irgendwo aus Kalifornien«, erklärte der Senator. »Für den Unterausschuss wäre es äußerst hilfreich, wenn er über die Personalien jedes nach Amerika zurückkehrenden Lehrers wie auch jedes Studenten informiert würde. (…) Ihre Kooperation in dieser Angelegenheit wüssten wir entschieden zu schätzen.«
Der Geheimdienst kooperierte. Am 31.Oktober 1967 leitete Tom Karamessines die noch nicht ausgewertete und unbestätigte Information eines Kubaners aus Miami ans Weiße Haus weiter, der zufolge »ein Ausbildungslager für Neger« an einem Küstenstreifen in der Nähe von Santiago de Kuba errichtet worden sei, wo »Neger für subversive Operationen gegen die Vereinigten Staaten ausgebildet« würden. »Zum Unterricht sollen Englischkurse gehören, die von sowjetischen Ausbildern abgehalten werden.« Weiter heißt es: »Zu ihren gegen die Vereinigten Staaten gerichteten subversiven Aktivitäten sollen Sabotageakte in Verbindung mit Rassenunruhen zählen, die auf eine Revolution der Neger in den Vereinigten Staaten zielen.« Dem Bericht zufolge »nehmen 150 Neger an dem Ausbildungsprogramm teil, und einige von ihnen befinden sich bereits in den Vereinigten Staaten«.
Lyondon Johnson raste vor Zorn. »Ich werde nicht zulassen, dass die Kommunisten hier die Macht übernehmen, und genau das machen sie gerade «, erklärte er gegenüber Helms, Rusk und McNamara im Laufe einer fünfundneunzigminütigen Tirade an einem Samstagnachmittag, dem 4.November 1967. »Ich habe es satt, mit anzusehen, wie diese Leute in ein kommunistisches Flugzeug gesetzt und in ganz Amerika abgeladen werden. Ich
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