CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Vereinigten Staaten.
IV »Schafft mir die Trottel vom Hals«
Die CIA unter Nixon und Ford, 1968 bis 1976
28 »Was zum Teufel machen diese Clowns
da unten in Langley?«
Im Frühjahr 1968 hatte Richard Helms allen Grund zu der Besorgnis, dass entweder Robert Kennedy oder Richard Nixon sein nächster Chef sein würde. Als Justizminister hatte Kennedy auf die Macht der Agency geschimpft. Er hatte die CIA geschurigelt und Helms mit kalter Verachtung behandelt. Für ihn als Präsidentschaftskandidaten oder als obersten Befehlshaber stellten die Geheiminformationen in den Akten der CIA eine Bedrohung dar. Helms war ehrlich entsetzt, als der Senator auf seiner Wahlkampftour ermordet wurde. Aber ehrlich betrübt war er nicht. Die Narben von Kennedys Peitschenhieben schmerzten ihn ein Leben lang.
Richard Nixon stellte ein völlig anderes Problem dar. Helms wusste, welch tiefe Ressentiments Nixon hegte. Nach Nixons Ansicht wimmelte es in der Agency von elitären, in der Wolle gefärbten Liberalen aus dem amerikanischen Osten, akademischen Schwätzern, Anhängern Kennedys. Dass Nixon der CIA die Schuld an der größten Katastrophe seines Lebens, der Wahlniederlage von 1960, gab, war ein offenes Geheimnis. Er war – zu Unrecht – überzeugt davon, dass Geheimnisse und Lügen, die Allen Dulles durchsickern ließ, John F. Kennedy dabei geholfen hatten, in den Fernsehdebatten der Präsidentschaftskandidaten entscheidende Punkte zu sammeln. In Six Crises , seinen 1962 erschienenen Erinnerungen, hatte Nixon erklärt, er hätte, wäre er damals gewählt worden, zur Durchführung verdeckter Operationen eine neue, von der CIA unabhängige Organisation ins Leben gerufen. Das war eine offene Drohung, die Organisation kaltzustellen.
Am 10.August 1968 trafen sich Nixon und Helms zu ihrem ersten längeren Gespräch. Präsident Johnson hatte den Präsidentschaftskandidaten auf seine Ranch in Texas eingeladen, wo er ihm Steaks und Maiskolben vorsetzte und ihn im offenen Cabrio auf dem Gelände herumfuhr. Danach bat er Helms um einen Überblick über die Welt: Zur Sprache kamen der Konflikt zwischen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion, Castros ständige Unterstützung revolutionärer Bewegungen und schließlich die geheimen Friedensverhandlungen der Vereinigten Staaten mit Nordvietnam.
Nixon wandte sich an Helms und fragte ihn scharf: »Glauben die immer noch, dass wir den Krieg verloren haben?«
»Die Nordvietnamesen sind überzeugt davon, dass sie mit Dien Bien Phu gesiegt haben«, antwortete Helms. Das wollte Nixon ganz und gar nicht hören.
Drei Tage nach seinem Wahlsieg rief Nixon bei Johnson an. »Was halten Sie von Helms?«, fragte er. »Würden Sie ihn behalten?«
»Jawohl, das würde ich«, antwortete Johnson. »Er ist außerordentlich kompetent. Er ist präzise. Er macht Ihnen nichts vor, und er ist loyal.«
Das war ein hohes Lob. Nach anderthalb Jahren Essenseinladungen bei Johnson hatte Helms dessen Vertrauen gewonnen und sich in Washington den Ruf eines ausgewiesenen Fachmanns erworben. Seiner Überzeugung nach verfügte die CIA nach zwanzigjährigem Bestehen über einen Analystenkader mit einzigartiger Urteilsfähigkeit hinsichtlich der Bedrohung durch die Sowjetunion und über einen Geheimdienst, der sich darauf verstand, Spionage zu treiben, ohne sich erwischen zu lassen. Sich selbst betrachtete er als einen treuen Kämpfer im Dienste des Präsidenten.
Helms sollte schon bald herausfinden, wie hoch der Preis einer solchen Gefolgschaftstreue war.
»Unverbesserliche Geheimniskrämer«
»Richard Nixon vertraute niemandem«, urteilte Helms zwanzig Jahre später. »Auch als er Präsident der Vereinigten Staaten und mithin Chef der Exekutive geworden war, erklärte er ständig, die Luftwaffe sehe bei ihren Bombardements in Vietnam nicht einmal die Hand vor den Augen, das Außenministerium sei nichts weiter als ein Haufen Cocktail saufender Diplomaten im Nadelstreifenanzug und die Agency sei unfähig, einen entscheidenden Sieg in Vietnam zu landen. (…) Immer wieder, wie eine Gebetsmühle. (…) ›Das sind Blindgänger, das sind Schwachköpfe, die können dies nicht und jenes nicht.‹«
Im Januar 1969, wenige Tage nach Nixons Amtsantritt, saß Helms in gespanntem Schweigen im Weißen Haus beim Mittagessen, während Nixon in seinem Nachtisch aus Hüttenkäse und Ananasscheiben herumstocherte. Der Präsident hackte auf der CIA herum, und sein Berater in Fragen der nationalen Sicherheit, Henry Kissinger,
Weitere Kostenlose Bücher