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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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innere Angelegenheiten anderer handelt (oder jedenfalls zu handeln scheint).« All diese Überlegungen ließen Nixon und Kissinger bewusst außer Acht.
    »Unserem Eindruck nach ist die CIA im Laufe der Jahre viel zu inzüchtig geworden«, wird in dem Bericht abschließend festgestellt. »Fast alle leitenden Mitarbeiter gehören schon um die zwanzig Jahre der Organisation an. (…) Es gibt eine starke Tendenz, sich zu isolieren und abzukapseln (…), einen Mangel an Innovationskraft und Perspektive.« Das immerhin fand bei Nixon Glauben. Er machte sich daran, in diesen geschlossenen Kreis einzudringen. Als Erstes ernannte er Marine Lieutenant General Robert Cushman, der ihm in seiner Vizepräsidentenzeit als Sicherheitsberater gedient hatte, zum Stellvertretenden Leiter des Zentralen Nachrichtendienstes unter Helms. Cushman hatte die Aufgabe, die Spione Amerikas für den Präsidenten auszuspionieren.
    Im Bemühen, sich beim neugewählten Präsidenten lieb Kind zu machen, schickte die CIA Nixon die gleichen täglichen Resümees der nachrichtendienstlichen Tätigkeit, die Lyndon Johnson bekommen hatte. Sie stapelten sich ungelesen in einem Safe in Nixons Suite im neununddreißigsten Stock des Pierre Hotel in New York. Der Stapel wuchs einen Monat lang, bis Kissinger im Dezember die CIA wissen ließ, dass Nixon sie niemals anschauen werde. Er stellte klar, dass in Zukunft alles, was die Agency dem Präsidenten mitzuteilen wünschte, über ihn, Kissinger, zu laufen hatte. Weder Helms noch sonst jemand von der CIA würde Nixon je allein sprechen können.
    Von Anfang an übte Kissinger eine Kontrolle über die CIA-Operationen aus, die immer strikter wurde. In den Jahren 1967 und 1968 hatte sich der 303-Ausschuss zu einem lebendigen Forum entwickelt, in dem über den Verlauf verdeckter Aktionen debattiert wurde. Diese Zeiten waren vorbei. Kissinger beherrschte sämtliche anderen Mitglieder des Ausschusses – Helms, Justizminister John Mitchell und die Beamten aus der zweiten Reihe, die das Außenministerium und das Pentagon repräsentierten. Der Ausschuss wurde zu einer Einmannshow. In einem zweiunddreißig Monate umfassenden Zeitraum segnete der Ausschuss formell fast 40 verdeckte Aktionen ab, ohne auch nur einmal wirklich zusammenzutreten. Insgesamt wurden drei Viertel der Palette verdeckter Aktionen unter der Regierung Nixon nie offiziell im Ausschuss behandelt. Die Geheimoperationen der Vereinigten Staaten segnete Kissinger ab.
    Wie allgemein bekannt, ließ der Präsident im Jahr 1969 die Telefone von Privatpersonen abhören, um undichte Stellen aufzuspüren und den Informationsfluss innerhalb des Regierungsapparats zu überwachen. Sein Sicherheitsberater ging noch weiter: Auch Kissinger benutzte die CIA, um amerikanische Bürger auszuspionieren – eine Tatsache, die den Historikern bis jetzt entgangen ist.
    Nachdem die Antikriegsbewegung zu einem allmonatlichen Moratorium, einer eintägigen Unterbrechung des amerikanischen Alltags, aufgerufen hatte, erhielt Helms von Kissinger die Anweisung, die Führer der Bewegung auszuspionieren. Die im Bürotagebuch von Robert L. Bannerman, einem leitenden Mitarbeiter in der Sicherheitsabteilung der CIA, nachzulesende Eintragung war betitelt »Dr.Kissinger – Informationsersuchen«.
    »Dr.Kissinger richtete an uns ein Ersuchen, betreffend Informationen über die Anführer der Gruppe, die das Vietnam-Moratorium ins Werk gesetzt haben«, liest man in der Aktennotiz. »Nach einigen Überlegungen wurde dieses Ersuchen an [unleserlich gemacht] delegiert, der seine primäre Zuständigkeit hinsichtlich des Berichts einräumte; das Wochenende über wurde daran gearbeitet.« Hier handelte es sich nicht einfach nur um eine Fortsetzung von »Chaos«, der laufenden Suche nach ausländischer Unterstützung für die Antikriegsbewegung. Vielmehr ersuchte der Berater des Präsidenten in Fragen der nationalen Sicherheit die CIA um Unterlagen über amerikanische Bürger.
    Dass Richard Helms gezögert hätte, dem Ersuchen nachzukommen, lässt sich der Notiz nicht entnehmen. Seit 1962 hatten drei aufeinanderfolgende Präsidenten den Leiter des zentralen Nachrichtendienstes ohne Rücksicht auf die Satzung der CIA angewiesen, Amerikaner auszuspionieren. Nixon hielt jegliches präsidiale Handeln im Bereich der nationalen Sicherheit für rechtskonform. Was der Präsident macht, erklärte er, ist nicht unrechtmäßig. Unter seinen Nachfolgern hat sich nur George W. Bush diese Interpretation der

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