CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Hinsicht ebenbürtig, wenngleich ihm eine wichtige Eigenschaft, die Hinterlist, fehlte. Seinen Ruf im Weißen Haus Nixons hatte er sich als jemand erworben, der im Stande war, das Gestrüpp des Regierungsapparats zu durchforsten und totes Holz auszulichten.
Schlesinger berichtete, die Kosten des Nachrichtendienstes stiegen rasant, während die Qualität der Arbeit sinke. Siebentausend Analysten der CIA, die mit Daten überschwemmt würden, seien nicht imstande, die Strukturen der gegenwärtigen Situation herauszuarbeiten. Sechstausend Geheimdienstbeamten gelinge es nicht, die oberen Gremien der kommunistischen Welt zu infiltrieren. Der Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes sei nicht in der Lage, mehr zu tun, als verdeckte Aktionen zu betreiben und Berichte abzufassen, die Nixon und Kissinger nur selten läsen. Die Agency sei außer Stande, Nixons globale Vorhaben zu unterstützen – die Tür zu China aufzustoßen, den Sowjets die Stirn zu bieten, den Vietnamkrieg nach amerikanischen Vorstellungen zu beenden. »Nichts deutet darauf hin, dass die nachrichtendienstliche Organisation in ihrer derzeitigen Verfassung diese Sorte von Problemen wird bewältigen können«, so Schlesingers Fazit.
Er schlug die seit 1947 radikalste Neugestaltung der amerikanischen Spionage vor. Ein neues Oberhaupt sollte unter dem Namen eines Direktors des Nationalen Nachrichtendienstes im Weißen Haus stationiert sein und über das nachrichtendienstliche Reich herrschen. Die CIA sollte zerschlagen und eine neue Organisation für die Durchführung der verdeckten Aktionen und der Spionagetätigkeit ins Leben gerufen werden.
Haig, der den Stein ins Rollen gebracht hatte, schrieb in einer Stellungnahme, es handele sich um »den erbittertsten Kampf«, auf den sich seit Menschengedenken eine amerikanische Regierung eingelassen habe. Das Problem war, dass der Kongress die CIA gegründet hatte und deshalb bei ihrer Wiedergeburt beteiligt werden musste. Das konnte Nixon nicht akzeptieren. Das Ganze musste geheim vonstatten gehen. Er wies Kissinger an, sich einen Monat lang ausschließlich um die Verwirklichung des Plans zu kümmern. Aber Kissinger hatte dazu keine Lust. »Das schiebe ich lieber auf die lange Bank«, kritzelte er auf Haigs Stellungnahme. »Ich habe nicht die Absicht, mir daran die Finger zu verbrennen.«
Die lange Schlacht endete ein Jahr, nachdem Allende sein Amt angetreten hatte. Der Präsident erteilte Helms den direkten Befehl, die Leitung der CIA seinem Stellvertreter – Nixons Vertrauensmann, General Cushman – zu überlassen und sich mit der Rolle der Galionsfigur des amerikanischen Nachrichtendienstes zufriedenzugeben. Diesen tödlichen Stoß parierte Helms mit einem gelungenen Gegenzug. Er stellte Cushman so absolut kalt, dass der General schließlich um einen neuen Posten als Kommandant der Marineinfanterie ersuchte. Der Stellvertreterposten blieb sechs Monate lang unbesetzt.
Damit war das Projekt gestorben, allerdings nicht in Richard Nixons Kopf. »Der Nachrichtendienst ist eine heilige Kuh«, schäumte er. »Seit wir an der Sache dran sind, ist nichts geschehen. Die CIA ist keinen Pfifferling wert.« Er nahm sich fest vor, Richard Helms loszuwerden.
»Die natürlichen und wahrscheinlichen Folgen«
Die Unterminierung der Position Allendes ging weiter. »Gleis zwei hat im Grunde nicht aufgehört«, erklärte der CIA-Mann Tom Karamessines, und in seinen Notizen von einer Sitzung im Weißen Haus, die am 10.Dezember 1970 stattfand, kündigte sich der weitere Verlauf an: »Kissinger hob hervor, das CIA-Programm ziele auf eine Unterstützung der Gemäßigten ab. Da Allende sich selbst als Gemäßigten ausgebe, warum da nicht die Extremisten unterstützen, fragte er in der Rolle des advocatus diaboli .«
Genau das tat die CIA. Das Meiste der von Nixon bewilligten 10 Millionen Dollar wendete sie daran, in Chile politisches und wirtschaftliches Chaos zu stiften. Die Saat ging 1971 auf. Der neue Direktor der Abteilung für Südamerika, Ted Shackley, der, nachdem er zwischenzeitlich die Büros in Laos und Südvietnam geleitet hatte, ins Hauptquartier der CIA zurückgekehrt war, versprach seinen Vorgesetzten, »unseren ganzen Einfluss auf die militärischen Schlüsselfiguren geltend zu machen, damit sie auf der Seite der für den Staatsstreich verfügbaren Kräfte eine entscheidende Rolle spielen können«. Der neue Leiter des Büros in Santiago, Ray Warren, baute ein Netz aus Militärs und politischen Saboteuren auf,
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