CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
binnen achtundvierzig Stunden einen Schlachtplan liefern. Um Allende zu verhindern, hatte er neunundvierzig Tage Zeit.
Tom Polgar kannte Richard Helms schon seit fünfundzwanzig Jahren. Sie hatten ihre Karriere gemeinsam 1945 in der CIA-Operationsbasis in Berlin begonnen. Polgar sah seinem alten Freund in die Augen und entdeckte dort einen Anflug von Verzweiflung. Helms wandte sich an Lanusse und wollte von ihm wissen, was seine Junta brauche, um beim Sturz Allendes mithelfen zu können.
Der argentinische General starrte den Chef des amerikanischen Nachrichtendienstes an.
»Mr.Helms«, sagte er, »Sie haben schon Ihr Vietnam. Ersparen Sie mir meines.«
»Was wir brauchen, ist ein General mit Mumm«
Am 16.September setzte sich Helms früh am Morgen mit dem Ressortleiter für verdeckte Aktionen, Tom Karamessines, und sieben weiteren führenden Beamten zusammen. »Der Präsident hat die Agency aufgefordert, Allende am Machtantritt zu hindern oder ihn aus dem Amt zu vertreiben«, verkündete er. Karamessines fiel die Gesamtleitung sowie die undankbare Aufgabe zu, Kissinger auf dem Laufenden zu halten.
Die CIA unterteilte die Operation Allende in Gleis eins und Gleis zwei. Gleis eins umfasste politische Kampfmaßnahmen, ökonomischen Druck, Propaganda und harte Bandagen auf diplomatischem Gebiet. Man setzte sich zum Ziel, genügend Stimmen im chilenischen Senat zu kaufen, um Allendes Bestätigung zu verhindern. Für den Fall, dass dies fehlschlug, plante Botschafter Korry, Präsident Frei zu einem Verfassungsbruch zu überreden. »Als letztes Mittel«, erklärte Korry Kissinger, würden die Vereinigten Staaten »Chile und die Chilenen zu äußerster Not und Armut verdammen« und damit »Allende zwingen, den herben Charakter eines Polizeistaats herauszukehren«, um auf diese Weise einen Volksaufstand zu provozieren.
Gleis zwei zielte auf einen Militärputsch. Korry wusste davon nichts. Helms setzte sich aber über die Anweisung des Präsidenten hinweg, Henry Hecksher nicht einzubeziehen, und er ließ Tom Polgar nach Argentinien zurückkehren, damit dieser ihm von dort Schützenhilfe leistete. Hecksher und Polgar – Burschen aus der Basis in Berlin, die seit dem Zweiten Weltkrieg dicke Freunde waren, zählten zu den tüchtigsten Beamten der CIA. Sie beide hielten Gleis zwei für einen Narrenstreich.
Helms berief den Bürochef in Brasilien, David Atlee Phillips, zum Leiter der Spezialeinheit für Chile. Phillips, der seit 1950 der CIA angehörte und schon in Guatemala und in der Dominikanischen Republik gedient hatte, verstand sich besser als jeder andere in der Organisation auf Propaganda. Er hielt Gleis eins für aussichtslos.
»Wer wie ich in Chile gelebt hatte und Chile kannte, wusste, dass man es vielleicht schaffen konnte, einen einzelnen chilenischen Senator zu bestechen. Aber zwei? Nie und nimmer. Und drei? Keine Chance«, erklärte er. »Sie würden Alarm schlagen. Sie waren Demokraten, und das schon seit langer Zeit.« Zu Gleis zwei bemerkte Phillips, »das chilenische Militär sei ein Muster an demokratischer Rechtschaffenheit«. Der Oberbefehlshaber, General Rene Schneider, hatte verkündet, die Armee werde die Verfassung achten und sich aus der Politik heraushalten.
Für Gleis eins hatte Phillips dreiundzwanzig ausländische Journalisten auf der Gehaltsliste, die in der internationalen Öffentlichkeit Stimmung gegen Allende machen sollten. Er und seine Kollegen hatten die massiv Allende-feindliche Story lanciert, die als Titelgeschichte in Time erschienen war. Für Gleis zwei verfügte er über ein Team von Geheimagenten der CIA mit falscher Nationalität und falschen Pässen. Der eine firmierte als kolumbianischer Geschäftsmann, der andere als argentinischer Schmuggler, ein dritter als bolivianischer Nachrichtenoffizier.
Am 27.September baten die falschen Südamerikaner den Militärattaché an der amerikanischen Botschaft, Colonel Paul Wimert, einen alten Freund der CIA, ihnen bei der Suche nach chilenischen Offizieren zu helfen, die bereit waren, Allende zu stürzen. Ein Anwärter hierfür war Roberto Viaux, einer der ganz wenigen Generäle, die in der jüngeren Zeit versucht hatten, einen Putsch anzuzetteln. Viele seiner Offizierskollegen freilich sahen in Viaux einen gefährlichen Narren; manche hielten ihn für geisteskrank.
Am 6.Oktober hatte einer der falschen Südamerikaner ein langes Gespräch mit Viaux. Wenige Stunden später erfuhr Botschafter Korry erstmals von dem Putschplan, den die
Weitere Kostenlose Bücher