CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
geführt – und diese Lügen hätten mit zum Ausbruch des Krieges beigetragen, der Griechenland, der Türkei und Zypern schweren Schaden zufügte und Tausende das Leben kostete.
In der folgenden Woche entbrannte im Umkreis der amerikanischen Botschaft ein Feuergefecht, bei dem Botschafter Rodger P. Davies durch eine Kugel, die ihm das Herz zerfetzte, ums Leben kam. In Athen marschierten Tausende von Demonstranten zur amerikanischen Botschaft und versuchten, sie in Brand zu stecken. Der gerade erst dort eingetroffene neue Botschafter war Jack Kubisch, ein altgedienter Diplomat mit viel Erfahrung; Kissinger hatte ihn am Tag von Nixons Rücktritt persönlich ausgesucht.
Er forderte einen neuen Chef für das CIA-Büro an, und die Organisation schickte Richard Welch, der sein Griechisch in Harvard gelernt und als Bürochef in Peru und Guatemala gedient hatte. Welch zog in der Villa ein, in der auch seine Vorgänger gewohnt hatten. Jedermann kannte die Adresse. »Das war ein gravierendes Problem«, erläuterte Botschafter Kubisch. »Meinen Planungen nach sollte er in eine andere Wohnung in einem anderen Teil der Stadt ziehen, um nach Möglichkeit geheim zu halten, wer er war, und ihm ein bisschen Schutz zu verschaffen.« Angesichts der antiamerikanischen Stimmung in Athen schien das durchaus klug. Aber »weder Welch noch seine Frau machten sich offenbar die mindesten Sorgen deswegen«, erzählte er. »Sie glaubten einfach nicht, dass in Athen irgendeine Gefahr für sie bestand.«
Welch und seine Frau besuchten einen Weihnachtsempfang in der Residenz des Botschafters, die nur wenige Straßenzüge von der in den Hügeln gelegenen Villa der CIA entfernt war. Als sie nach Hause zurückkehrten, erwartete sie in der Auffahrt ein kleines Auto mit vier Insassen. Drei von ihnen zwangen den Botschafter auszusteigen. »Sie feuerten ihm drei Kugeln aus einer 45er in die Brust und töteten ihn«, berichtete Kubisch. »Sie sprangen in ihr Auto und rasten davon.« Das war das erste Mal in der Geschichte der CIA, dass ein Bürochef ermordet wurde. Freilich handelte es sich nur um eine Folge der in der Vergangenheit geschaffenen Strukturen.
Er habe, meinte Botschafter Kubisch, in Athen zum ersten Mal erlebt, »welch schrecklichen Preis die amerikanische Regierung zahlen muss, wenn sie sich so eng (…) mit einem repressiven Regime einlässt«. Zum Teil bestand der Preis darin, dass sie es der CIA überließ, die Außenpolitik des Landes zu bestimmen.
33 »Die CIA würde zerstört«
»Lassen Sie mich zu Anfang auf ein Problem zu sprechen kommen, das wir beim Umgang mit geheimem Material haben.« Mit diesen Worten eröffnete Präsident Gerald R. Ford am 7.Oktober 1974 im Kabinettsraum des Weißen Hauses eine der ersten Sitzungen des Nationalen Sicherheitsrates unter seiner Präsidentschaft.
Die Überlebenden von Watergate – Außenminister Kissinger, Verteidigungsminister Schlesinger, der Stellvertretende Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes Walters und das ehrgeizige und einflussreiche Mitglied des Stabes Donald Rumsfeld – waren empört über die neueste undichte Stelle. Die Vereinigten Staaten bereiteten Waffenlieferungen im Wert von mehreren Milliarden Dollar an Israel und Ägypten vor. Die Zeitungen hatten nicht nur die israelische Wunschliste abgedruckt, sondern auch, wie die Liste von Amerika beschieden worden war.
»Das ist unerträglich«, erklärte Ford. »Ich habe mit Don Rumsfeld erörtert, was sich da tun lässt.« Der Präsident wollte binnen achtundvierzig Stunden einen Plan vorgelegt bekommen, wie man die Zeitungen daran hindern konnte, ihre Informationen zu veröffentlichen. »Uns fehlen die nötigen Instrumente«, warnte ihn Schlesinger. »Wir brauchen ein Gesetz über die Wahrung staatlicher Geheimnisse«, sagte er, aber »das augenblickliche Klima ist für so etwas nicht günstig.«
Die Lügen, die amerikanische Präsidenten unter Berufung auf die nationale Sicherheit der Öffentlichkeit auftischten, hatten die Macht der Geheimhaltung gebrochen. Die U-2 sei ein Flugzeug im Dienste der Meteorologie. Amerika werde nicht in Kuba einfallen. Unsere Schiffe seien im Golf von Tonking angegriffen worden. Der Vietnamkrieg sei ein gerechter Krieg. Der Sturz von Richard Nixon bewies, dass diese hochgesinnten Lügen in einer Demokratie nicht mehr verfingen.
Bill Colby ergriff die Gelegenheit beim Schopf, das enge Verhältnis der CIA zum Weißen Haus wiederherzustellen, denn er wusste, dass der Angriff auf die
Weitere Kostenlose Bücher