CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Schlesingers Anweisung rief Haig Colby an und informierte ihn, dass der Justizminister seinen Rücktritt eingereicht hatte, dass der Verteidigungsminister seinen Posten aufgab, dass Schlesinger die CIA verließ und ins Pentagon wechselte und dass der Präsident ihn, Colby, zum nächsten Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes ernennen wolle. In der Regierung herrschte ein solches Durcheinander, dass Colby erst im September vereidigt wurde. Vier Monate mit General Walters als amtierendem Direktor und Colby als Direktor in spe – eine unbehagliche Situation.
Colby war mittlerweile dreiundfünfzig Jahre alt und hatte dreißig Jahre Dienstzeit im OSS und in der CIA hinter sich. Sein ganzes Erwachsenenleben hatte er als Inbegriff eines Agenten für verdeckte Aktionen zugebracht. Das Frühjahr 1973 hindurch hatte er als Schlesingers Scherge fungieren und seine Kollegen zu sich beordern müssen, um ihnen ihre Entlassungspapiere auszuhändigen. Zu allem Überfluss verfiel auch noch seine älteste Tochter Mitte zwanzig dem Siechtum und starb an Anorexie. Am 21.Mai setzte sich Colby hin und fing an, die erste Aufstellung der Missetaten der CIA zu lesen, die sich am Ende auf 693 mögliche Amtsverletzungen belaufen sollte. In der gleichen Woche hatte der Senat mit seinen Anhörungen zu Watergate begonnen. Die Nachricht, dass Nixon und Kissinger Mitarbeiter und Journalisten abgehört hatten, gelangte an die Öffentlichkeit. Die Ernennung eines Sonderstaatsanwalts zur Untersuchung der Watergate-Verbrechen wurde bekannt gegeben.
Sein ganzes Leben lang war Colby ein frommer Katholik gewesen, der an die Todsünde und ihre Folgen glaubte. An jenem Tag erfuhr er nun zum ersten Mal von den Komplotten gegen Fidel Castro und der zentralen Rolle Robert F. Kennedys, von den Experimenten zur Bewusstseinssteuerung, den Geheimgefängnissen und den Experimenten mit Drogen an unseligen menschlichen Versuchskaninchen. Die Abhöraktivitäten der CIA und ihre Überwachung von Bürgern und Journalisten belasteten sein Gewissen nicht; klare Anweisungen dreier Präsidenten deckten sie. Er wusste aber, dass es in dem damals vorherrschenden Klima das Ende der CIA bedeuten konnte, wenn etwas von diesen Geheimnissen durchsickerte. Colby nahm sie unter Verschluss und machte sich daran, den CIA-Laden zu schmeißen.
Das Weiße Haus brach unter dem erdrückenden Gewicht von Watergate zusammen, und manchmal hatte Colby den Eindruck, dass auch die CIA vor dem Einsturz stand. Häufig erwies es sich als gut, dass Nixon die Informationen, die ihm die CIA lieferte, nicht las. Als 1973 die Feiertage des Jom Kippur und des Ramadan zeitlich zusammenfielen, zog Ägypten gegen Israel in den Krieg und drang tief in von Israel besetztes Gebiet vor. Im krassen Gegensatz zu ihrer genauen Voraussage des Sechstagekriegs im Jahr 1967 hatte die CIA den heraufziehenden Sturm nicht wahrgenommen. »Wir haben uns damals nicht mit Ruhm bekleckert«, erklärte Colby. »Am Tag vor Kriegsausbruch verkündeten wir, es werde zu keinem Krieg kommen.«
Wenige Stunden vor Beginn der Feindseligkeiten hatte die CIA dem Weißen Haus versichert: »Die Manöver sind realistischer als üblich. Aber Krieg wird es nicht geben.«
32 »Ein klassisches faschistisches Ideal«
Am 7.März 1973 traf Präsident Nixon im Oval Office mit Tom Pappas, einem einflussreichen griechisch-amerikanischen Geschäftsmann und Freund der CIA, zusammen. Pappas hatte 1968 zu Nixons Wahlkampf 549 000 Dollar beigesteuert, eine Spende der Führungsspitze der griechischen Militärdiktatur. Das Geld war durch den KYP, den griechischen Nachrichtendienst, gewaschen worden. Es handelte sich um eines der finstersten Geheimnisse im Weißen Haus Nixons.
Pappas hatte dem Präsidenten jetzt Hunderttausende weiterer Dollars zu bieten – Geld, um das Schweigen der wegen des Watergate-Einbruchs in Haft genommenen CIA-Veteranen zu erkaufen. Nixon dankte ihm überschwänglich: »Ich weiß zu schätzen, was Sie da tun, um uns zu helfen«, sagte er. Der Großteil des Geldes kam von Anhängern und Unterstützern der »Obristen« – der griechischen Junta, die im April 1967 die Macht an sich gerissen hatte, und zwar unter Führung von George Papadopoulos, einem noch unter Allen Dulles angeworbenen CIA-Agenten und Verbindungsmann zwischen KYP und CIA.
»Diese Obristen hatten schon seit Jahren Putschpläne gehegt«, erklärte Robert Keeley, der spätere amerikanische Botschafter in Griechenland. »Sie waren Faschisten. Sie
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