CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Bewusstseinssteuerung, Mordanschläge. Mit den Mordkomplotten hatte man im Weißen Haus unter Eisenhower begonnen, dem am höchsten verehrten republikanischen Präsidenten des 20. Jahrhunderts.
Am 3.Januar 1975, einem Freitag, erhielt Ford dann einen weiteren Bericht, diesmal vom Justizminister der Vereinigten Staaten, Laurence Silberman.
Silberman erfuhr an diesem Tag von der dicken Akte, in der die geheimen Verfehlungen der CIA zusammengetragen waren. Sie lag in Colbys Bürosafe, und Silberman ging davon aus, dass sie Beweismaterial für Verbrechen enthielt, die in die bundesstaatliche Gerichtsbarkeit fielen. Der oberste Repräsentant der Justiz stellte dem Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes ein Ultimatum. Entweder er rücke die Unterlagen heraus, oder er riskiere eine Anklage wegen Behinderung der Justiz. Es ging nicht mehr darum, ob Colby bereit war, die Geheimnisse zu verraten. Es ging darum, ob er bereit war, um ihrer Wahrung willen ins Gefängnis zu gehen.
Silberman – der später Richter am Bundesberufungsgericht und Leiter der verheerenden Untersuchung wurde, der man im Jahr 2005 die CIA unterzog – wäre in diesem gefährlichen Augenblick selber um ein Haar von dem harten Schicksal ereilt worden, die CIA leiten zu müssen. »Ford bat mich, ins Weiße Haus zu kommen und die Leitung der CIA zu übernehmen, aber ich lehnte ab«, berichtete Silberman in einer Zeitzeugenaussage. »Ich war ernsthaft in diesem Augenblick als Direktor der CIA vorgesehen. Es gab für mich jede Menge Gründe, das nicht zu wollen.« Er wusste, dass der Agency Schreckenszeiten bevorstanden.
In seinem Memorandum an den Präsidenten hob Silberman zwei problematische Tatbestände hervor. Erstens: »Pläne, gewisse ausländische Staatsmänner zu ermorden – was, vorsichtig formuliert, außergewöhnliche Probleme aufwirft.« Zweitens: »Mr.Helms hat unter Umständen während der Anhörungen zur Bestätigung seiner Ernennung zum Botschafter im Iran einen Meineid geschworen.« Helms war unter Eid befragt worden, ob die CIA etwas mit dem Sturz des chilenischen Präsidenten Allende zu tun gehabt habe. Nein, Sir, hatte Helms geantwortet. Zur Geheimhaltung verpflichtet, aber gleichzeitig darauf vereidigt, die Wahrheit zu sagen, landete Helms schließlich unter der Anklage, gelogen zu haben, vor einem Bundesrichter. Angeklagt war er des minderen Vergehens, dem Kongress nicht die volle Wahrheit gesagt zu haben.
Am Abend des 3.Januar erklärte Ford gegenüber Kissinger, Vizepräsident Nelson Rockefeller und Donald Rumsfeld, dass »die CIA dabei draufgehen könnte«, wenn die Geheimnisse an die Öffentlichkeit kämen. Am Mittag des 4.Januar, eines Samstags, kam Helms ins Oval Office. »Offen gestanden, wir stecken in der Klemme«, erklärte ihm Ford. Rockefeller werde eine Kommission zur Untersuchung der Aktivitäten der CIA im eigenen Land leiten, sagte der Präsident, aber eben nur der Aktivitäten im eigenen Land. Er hoffe, den Untersuchungsauftrag darauf einengen zu können. »Es wäre tragisch, wenn die Untersuchung darüber hinausginge«, erklärte er Helms. »Es wäre eine Schande, wenn die öffentliche Empörung uns zwänge, weiterzugehen und die Integrität der CIA zu beschädigen. Ich gehe automatisch davon aus, dass Sie recht gehandelt haben, solange nicht das Gegenteil bewiesen wird.«
Helms sah, was auf sie zukam.
»Viele Leichen werden ausgebuddelt werden«, warnte er den Präsidenten. »Ich weiß nicht über alles Bescheid, was in der Agency vorgegangen ist. Vielleicht weiß das niemand. Aber ich weiß genug, um sagen zu können, dass ich mit drinstecke, wenn die Leichen ausgebuddelt werden.«
Helms ließ an diesem Tag im Weißen Haus eine kleine Bombe platzen, als er Kissinger verriet, dass Bobby Kennedy die Planungen für die Ermordung Castros persönlich geleitet hatte. Kissinger gab diese Information an den Präsidenten weiter. Das Entsetzen wurde immer größer. Ford hatte sich erstmals durch seine Mitwirkung in der Warren-Kommission landesweit einen Namen gemacht. Jetzt begriff er, dass es bei der Ermordung Kennedys Aspekte gab, die ihm völlig unbekannt waren, und die fehlenden Teile des Puzzles brachten ihn ins Grübeln. Kurz vor seinem Tod bezeichnete er die Verheimlichung von Beweismitteln gegenüber der Warren-Kommission als »unverantwortlich«. Die CIA »beging einen Fehler, als sie uns nicht alle ihr verfügbaren Informationen übergab«, sagte Ford. »Sie waren nicht klug beraten, uns nicht die ganze
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