CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
gezielt zum Absturz gebracht würden. Nicht die Tatsache, dass gerade mal drei Leute innerhalb des amerikanischen Nachrichtendienstes in der Lage waren, einem Gespräch aufgeregter Muslime inhaltlich zu folgen. Nicht die Erkenntnis, dass das Vermögen der CIA, Informationen zu analysieren, wegen der explosionsartigen Vermehrung von E-Mails, PCs, Handys und allgemein erhältlichen Verschlüsselungsprogrammen für private Kommunikation rapide schwand. Nicht die zunehmende Erkenntnis, dass die CIA vor dem Kollaps stand.
Der Bericht, dessen Abfassung siebzehn Monate dauerte, fiel saftund kraftlos aus. »Antiterrorstrategien wurde darin nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt«, sagte Loch Johnson, ein Kommissionsmitglied. »Die Grenzen verdeckter Operationen wurden nirgends definiert; der Mangel an Verantwortlichkeit kaum thematisiert.« Keiner, der ihn las, schenkte seiner beruhigenden Versicherung Glauben, dass ein bisschen Herumgeschraube die Maschine wieder funktionieren lassen würde.
Während die Kommission ihren Bericht abschloss, befanden sich insgesamt fünfundzwanzig Personen im CIA-Ausbildungszentrum für junge Nachwuchskräfte. Noch nie zuvor hatte die Agency so wenig Anziehungskraft auf junge Talente ausgeübt. Nie zuvor hatte ihr Ansehen einen solchen Tiefstand erreicht. Der Fall Ames machte die CIA zum Opfer ihrer eigenen Geschichte.
Der Geheimdienst war »furchtbar besorgt, weil er glaubte, zu wenig Leute im Feld stehen zu haben«, sagte Fred Hitz damals. »Die richtigen Leute zu kriegen und sie an den richtigen Stellen zu platzieren ist schon für sich ein Problem. Wir haben zwar gute Leute, aber eben nicht genug, und nicht genug von ihnen dort, wo wir sie bräuchten. Wenn der amerikanische Präsident und der amerikanische Kongress uns nicht unterstützen, dann wird das Einzige, was uns wieder auf die Beine helfen könnte, zu spät kommen – irgendein fürchterliches Ereignis, das irgendwo auf der Welt passiert, vielleicht hier in unserem Land, eins, das uns alle wachrüttelt, so wie damals Pearl Harbor, und uns sagen lässt: Warum haben wir das bloß nicht gewusst?«
46 »Wir haben Probleme«
Ende 1994 sprach Jim Woolsey eine Abschiedsrede an seine CIA-Mannschaft auf Band, schickte eine Rücktrittserklärung ans Weiße Haus und verließ eilends die Stadt. Bill Clinton forschte in seiner Regierung nach jemandem, der willens und fähig war, den Posten zu übernehmen.
»Der Präsident fragte mich, ob ich daran interessiert sei, Leiter des Zentralen Nachrichtendienstes zu werden«, sagte sein stellvertretender Verteidigungsminister John Deutch. »Ich erklärte ihm klipp und klar, dass ich kein Interesse daran hatte. Ich hatte gesehen, mit welchen enormen Schwierigkeiten mein Freund Jim Woolsey als Leiter konfrontiert war. Ich hatte keinerlei Grund zu glauben, dass ich es besser machen könnte.«
Gut, antwortete Clinton, finden Sie jemanden, der es kann. Es vergingen sechs Wochen, bis es Deutch gelang, einen pensionierten General der Luftwaffe namens Mike Carns zur Kandidatur zu überreden. Nach weiteren sechs Wochen fing der Kandidat an zu wackeln und fiel schließlich durch.
»Der Präsident redete mir ein, dass mir nun wirklich nichts anderes mehr übrig blieb«, sagte Deutch. So begann für ihn eine kurze und bittere Lektion in Sachen amerikanischer Nachrichtendienst. Deutch hatte allen Grund, sich vor der Ernennung zu fürchten. Drei Jahrzehnte lang hatte er sich in nationalen Sicherheitskreisen bewegt oder mit ihnen zu tun gehabt, und er wusste, dass kein Leiter des Zentralen Nachrichtendienstes es jemals vermocht hatte, seiner Aufgabe – nämlich gleichzeitig als Direktor des amerikanischen Nachrichtendienstes und als oberster Geschäftsführer des Geheimdienstes zu fungieren – gerecht zu werden. Um sich wenigstens einen gewissen Zugang zum Präsidenten zu sichern, forderte er für sich den Rang eines Kabinettsmitglieds, den er – wie vor ihm Bill Casey – auch bekam. Er wiegte sich in der Hoffnung, dass er Verteidigungsminister werden könnte, falls Clinton 1996 wiedergewählt wurde. Aber er wusste, dass sich die CIA in einem Zustand extremer Unruhe befand, der nicht innerhalb von ein oder zwei Jahren zu beseitigen war.
»Mit einer schwachen Führung geschlagen, treibt die Agency richtungslos dahin«, schrieb John Gentry, ein erfahrener CIA-Analyst zu der Zeit, als Deutch sein Amt antrat. »Die Malaise ist deutlich spürbar. Bis in die Reihen des Managements hinein ist das Unbehagen bei
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