CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Lücken, die sich auftaten, zu füllen. So konnte es passieren, dass ein Mitarbeiter der CIA seinen Pensionsantrag einreichte und sein blaues Dienstabzeichen zurückgab, danach für ein sehr viel höheres Gehalt bei einem Lieferanten für militärische Güter wie Lockheed Martin oder Booz Allen Hamilton eine Stelle annahm und anderntags mit einem grünen Dienstabzeichen wieder bei der CIA erschien. Nach dem September 2001 geriet die Praxis des Outsourcing außer Kontrolle. Die Privatfirmen begannen, in der CIA-Cafeteria offen Abwerbung zu betreiben.
Große Teile des Geheimdienstes wurden gänzlich von Zulieferern abhängig, die scheinbar zum Komplex der CIA gehörten, tatsächlich aber für Privatfirmen arbeiteten. In der Konsequenz hatte die CIA zwei Belegschaften – wobei das Personal, das für die private Wirtschaft arbeitete, sehr viel mehr verdiente. Ab 2006 waren ungefähr die Hälfte der Mitarbeiter des Bagdader Büros Angestellte von Firmen, und Lockheed Martin, der größte amerikanische Konzern für militärische Güter, brachte Anzeigen, in denen »Antiterror-Analysten« für die Verhöre von mutmaßlichen Terroristen im Gefängnis von Guantánamo gesucht wurden.
In der Nachrichtenbeschaffungsindustrie konnte man reich werden. Das Geld war ein mächtiger Magnet, und das Ergebnis bestand in einem beschleunigten Schwund an Fachkräften in der CIA – was die Organisation am wenigsten brauchen konnte – und in der Gründung von Firmen wie »Total Intelligence Solutions«. Total Intel, die 2007 ins Leben gerufen worden war, wurde von Cofer Black geleitet, der nach dem 11.September zum Direktor des Antiterrorismuszentrums ernannt worden war. Black zur Seite standen Robert Richer, ehemals der zweitwichtigste Mann beim Geheimdienst, und Enrique Prado, sein Leiter für Antiterroroperationen. Alle drei hatten sich 2005 aus dem Antiterrorkrieg der Regierung Bush ausgeklinkt, um sich der amerikanischen Firma Blackwater anzuschließen, der mit der Politik verbandelten privaten Sicherheitsfirma, die unter anderem den Wach- und Sicherheitsdienst für die Amerikaner in Bagdad stellte. Sie lernten bei Blackwater die Tricks, wie man Staatsaufträge ergattert, und gut ein Jahr später leiteten Black und Kompagnons Total Intel. Sie zählten zu den qualifiziertesten Mitarbeitern der CIA. Doch dass mitten im Krieg Leute die Fahne wechselten, um abzusahnen, war in Washington zu Beginn des 21. Jahrhunderts kein ungewöhnliches Schauspiel. Ganze Heerscharen von CIA-Veteranen verließen ihre Posten, um als Freischaffende ihre Dienste der Agency zu verkaufen, Analysen anzufertigen, Tarnungen für Mitarbeiter im Ausland zu fabrizieren, Kommunikationsnetzwerke aufzuziehen und verdeckte Operationen zu leiten. Ihrem Beispiel folgend, erstellten sich neue CIA-Angestellte ihren eigenen Fünfjahresplan: reingehen, rausgehen und kassieren. Für eine neue Art von Banditen in den Sicherheitsfirmen, die sich im Umkreis Washingtons etablierten, erwiesen sich ein Top-Secret-Ausweis und das grüne Dienstabzeichen als Goldgrube. Das Auslagern nachrichtendienstlicher Aktivitäten in Privatfirmen war ein deutliches Zeichen dafür, dass die CIA nach dem 11.September viele ihre grundlegenden Aufgaben nicht mehr allein bewältigen konnte.
Und der Armee dabei zu helfen, mit der vorgehaltenen Waffe im Irak die Demokratie einzuführen, vermochte sie auch nicht. Dass blindes Handeln gefährlich ist, mussten die Amerikaner leidvoll erfahren.
»Einen Spionagedienst organisieren und leiten«
Während des Kalten Krieges wurde die CIA von der amerikanischen Linken für das, was sie tat, gescholten. Im Antiterrorkrieg wurde sie von der amerikanischen Rechten für das, was sie nicht zu tun vermochte, nicht minder gescholten. Leute wie Dick Cheney und Don Rumsfeld bezichtigten sie der Inkompetenz. Wie immer man über deren Politik denken mag, sie wussten aus langer Erfahrung, was dem Leser nunmehr klar geworden sein dürfte: Die CIA konnte ihrer Rolle als Nachrichtendienst Amerikas nicht gerecht werden.
Die fiktive CIA, wie sie in Romanen und Filmen erscheint, ist omnipotent. Den Mythos eines goldenen Zeitalters hatte die CIA selbst geschaffen, er war ein Produkt der Publicity und politischen Propaganda, die Allen Dulles in den fünfziger Jahren fabrizierte. Diesem Mythos zufolge war die CIA in der Lage, die Welt zu verbessern; er erklärt unter anderem, warum sie sich so sehr gegen Veränderungen sträubt. In den achtziger Jahren strickte Bill Casey
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