CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
zwingen, als Totgeburt ad acta gelegt.
Daraufhin machte der Präsident den Versuch, der CIA eine neue Zielrichtung zu geben. Sie sollte den Feind in Asien, im Mittleren Osten, in Afrika und Lateinamerika bekämpfen – und überall dort, wo Kolonialreiche zerfielen. Unter Eisenhower startete die Agency 170 neue große Geheimaktionen in 48 Staaten: Missionen im Rahmen der politischen, psychologischen und paramilitärischen Kriegführung, aber in Ländern, wo die amerikanischen Spione kaum etwas über die Kultur, Sprache oder Geschichte der Bevölkerung wussten.
Die erste Entscheidung über Geheimaktionen traf Eisenhower häufig im privaten Gespräch mit den Dulles-Brüdern. Meist wandte sich Allen mit einem Operationsprojekt an Foster, und Foster unterhielt sich mit dem Präsidenten bei einem Cocktail im Oval Office. Dann kam Foster zurück zu Allen und überbrachte ihm das Plazet des Präsidenten sowie seine Mahnung: Lasst euch nicht erwischen. In privaten Gesprächen, die entweder im jeweiligen Hauptquartier, am Telefon oder sonntags im Beisein ihrer Schwester Eleanor, gleichfalls Beamtin des Außenministeriums, am Swimmingpool stattfanden, legten die Brüder den Kurs der Geheimaktionen fest. Foster war fest davon überzeugt, dass die Vereinigten Staaten alles in ihrer Macht Stehende tun müssten, um jedes Regime, das sich nicht offen mit Amerika verbündete, umzukrempeln oder zu beseitigen. Allen stimmte ihm von ganzem Herzen zu. Mit Eisenhowers Segen machten sie sich daran, die Weltkarte neu zu entwerfen.
»Eine rapide schlechter werdende Situation«
Vom ersten Tag seiner Amtsausübung an polierte Allen Dulles das öffentliche Bild der CIA auf, indem er Beziehungen zu den mächtigsten Verlegern und Rundfunkleuten pflegte, Senatoren und Abgeordnete becircte und Kolumnenschreiber hofierte. In seinen Augen war ehrenvolle Reklame weitaus schicklicher als dezentes Schweigen.
Dulles hielt engen Kontakt zu den Männern, die Tageszeitungen wie The New York Times und Washington Post sowie die führenden Wochenmagazine des Landes herausgaben. Er konnte den Telefonhörer nehmen und einen Artikel auf der ersten Seite platzieren; er konnte dafür sorgen, dass ein störender Auslandskorrespondent im Nu aus dem Außendienst herausgeholt wurde; er konnte Männer wie den Chef des Berliner Time -Büros oder den Tokioter Verantwortlichen von Newsweek für sich arbeiten lassen. Für Dulles war es das Natürlichste von der Welt, Artikel in die Presse zu bringen. In amerikanischen Nachrichtenredaktionen gaben überwiegend Veteranen des Büros für Kriegsinformationen (Office of War Information oder OWI), das im Zweiten Weltkrieg die Propaganda-Abteilung der Regierung gewesen war und damals zur Domäne von Wild Bill Donovan gehörte, den Ton an. Dem Ruf der CIA folgten zum Beispiel Henry Luce und seine Redakteure bei Time , Look und Fortune , außerdem Publikumszeitschriften wie Parade , Saturday Review und Reader’s Digest sowie die einflussreichsten Führungskräfte beim Nachrichtensender CBS. Dulles baute einen Public-Relations- und Propaganda-Apparat auf, der sich schließlich auf mehr als 50 Presseorgane und Rundfunksender, ein Dutzend Verlagshäuser sowie die persönlichen Hilfsangebote von Männern wie Axel Springer, dem mächtigen Pressezaren Westdeutschlands, stützen konnte.
Dulles sah sich gern als raffinierter Organisator eines professionellen Spionagedienstes. Beflissen gab die Presse dieses Bild wieder. Doch die Akten des CIA-Archivs erzählen eine andere Geschichte.
Die Protokolle der täglichen Dienstbesprechungen zwischen Dulles und seinen Stellvertretern zeichnen die Umrisse eines Nachrichtendienstes, der aus internationalen Krisen in interne Katastrophen abkippte: hemmungsloser Alkoholkonsum, Veruntreuungen, massenhafte Rücktrittsgesuche. Was sollte man mit einem CIA-Beamten tun, der einen britischen Kollegen umgebracht hatte und wegen Mordes vor Gericht gestellt werden sollte? Warum nahm sich der ehemalige Leiter des Schweizer CIA-Büros das Leben? Wie konnte man dem Mangel an begabten Leuten im Geheimdienst abhelfen? Der neue Generalinspekteur der Agency, Lyman Kirkpatrick, überbrachte pausenlos schlechte Nachrichten über die Qualität, die er bei den Beschäftigten, der Ausbildung und den Leistungen der Agency vorfand. Warnend wies er Dulles darauf hin, dass Hunderte erfahrener Militärs, die der Nachrichtendienst im Laufe des Koreakrieges eingestellt hatte, ihren Abschied nähmen, und dabei sei
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