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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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die CIA stellte sich die Frage, ob Stalins Nachfolger – wer immer das sein mochte – einen Präventivkrieg vom Zaun brechen würde. Doch die Spekulationen der Nachrichtendienstler über die Sowjets waren Bilder, wie sie ein Zerrspiegel zurückwirft. Stalin hatte weder einen umfassenden Plan zur Beherrschung der Welt noch die Mittel, einen solchen durchzusetzen. Der Mann, der nach seinem Tod schließlich die Macht in der Sowjetunion übernahm, nämlich Nikita Chruschtschow, erinnerte sich später, beim Gedanken an eine weltweite Auseinandersetzung mit Amerika habe Stalin »gezittert« und »gebibbert«. Chruschtschow präzisierte: »Er fürchtete sich vor dem Krieg. Er hat nie etwas unternommen, was einen Krieg mit den Vereinigten Staaten hätte auslösen können. Er wusste, wie schwach er war.«
    Zu den fundamentalen Fehlern des sowjetischen Staates gehörte es, dass jede Facette des täglichen Lebens den Erfordernissen der nationalen Sicherheit untergeordnet war. Stalin und seine Nachfolger hatten eine krankhafte Angst um ihre Landesgrenzen. Napoleon war von Paris aus einmarschiert, dann kam Hitler von Berlin. Die einzige kohärente Außenpolitik, die Stalin nach dem Krieg verfolgte, bestand darin, aus Osteuropa einen riesigen menschlichen Schutzschild zu machen. Während er alle Kräfte auf die Ermordung seiner inneren Feinde richtete, stand die Sowjetbevölkerung in endlosen Schlangen, um einen Sack Kartoffeln zu ergattern. Die Amerikaner hatten damals acht Friedensund Wohlstandsjahre unter Eisenhower vor sich. Aber diesen Frieden hatten sie sich mit Raketenwettrüsten, politischer Hexenjagd und permanenter Kriegswirtschaft erkauft.
    Eisenhowers Aufgabe war es, der Sowjetunion entgegenzutreten, ohne den Dritten Weltkrieg auszulösen oder die amerikanische Demokratie aus den Angeln zu heben. Er fürchtete, die Kosten für den Kalten Krieg könnten die Vereinigten Staaten lähmen; wenn es nach seinen Generälen und Admirälen ginge, würden sie die ganzen Staatsfinanzen aufzehren. Er beschloss, seine Strategie auf Geheimwaffen zu gründen: Atombomben und verdeckte Aktionen. Das war weitaus billiger als ganze Flotten von Kampfjets und Flugzeugträgern, die viele Milliarden Dollar kosteten. Mit ausreichend atomarer Kampfkraft könnten die Vereinigten Staaten die Sowjets daran hindern, einen neuen Weltkrieg vom Zaun zu brechen – oder den Krieg gewinnen, wenn er tatsächlich käme. Mit weltweiten Geheimoperationen wären die USA in der Lage, die Ausbreitung des Kommunismus zu stoppen – oder, wie Eisenhowers öffentlich propagierte Politik genannt wurde, den »Roll back« durchzusetzen, das heißt die Russen zurückzudrängen.
    Eisenhower machte das Schicksal der Nation von ihrem Kernwaffenarsenal und ihrem Spionagedienst abhängig. Zu Beginn seiner Amtszeit kam bei fast jeder Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates die Frage auf, wie beides am besten einzusetzen sei. Unter Truman war der NSC, der 1947 eingerichtet wurde, um den Einsatz der US-Macht im Ausland zu lenken, nur selten einberufen worden. Eisenhower erweckte ihn zu neuem Leben und leitete ihn wie ein guter General seinen Stab. Jede Woche verließ Allen Dulles seine etwas schäbigen Diensträume und stieg in eine schwarze Limousine, fuhr an den zerfallenden Behelfsunterkünften vorbei, in denen Wisner und seine Geheimagenten arbeiteten, und passierte das Tor zum Weißen Haus. Er nahm seinen Platz an dem großen ovalen Konferenztisch im Sitzungssaal des Kabinetts ein, ihm gegenüber sein Bruder Foster, der Außenminister, sowie der Verteidigungsminister, der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs, Vizepräsident Richard M. Nixon und der Präsident. In der Regel eröffnete Allen Dulles jede Besprechung mit einem Überblick über die Krisenherde der Welt. Dann wandte sich das Gespräch den Strategien des Geheimkrieges zu.
    »Wir könnten die ganze Welt unterwerfen«
    Eisenhower lebte in permanenter Angst vor einem nuklearen Pearl Harbor, und die CIA konnte ihn nicht beruhigen. Auf der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates am 5.Juni 1953 teilte ihm Allen Dulles mit, die Agency sei außer Stande, ihm »für den Fall eines heimlichen sowjetischen Angriffs über die Kanäle des Nachrichtendienstes eine Frühwarnung« zukommen zu lassen. Ein paar Monate später wagte die CIA die vorsichtige Prognose, dass die Sowjets vor 1969 nicht in der Lage sein würden, eine Interkontinental-Rakete auf die Vereinigten Staaten abzufeuern. Die Prognose lag, wie sich

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