Ciao, Don Camillo
der Sturm sich – wie üblich – legte, ins Haus wiederum Ruhe einkehrte und Ernestina zum sanftesten und liebenswürdigsten Geschöpf der Welt wurde, betrachtete Carlo Daboni weiterhin mißtrauisch das Haar seiner Gattin Ernestina.
Drei Jahre vergingen, und während dieser Zeit wurde nicht mehr von den blonden Haaren gesprochen. Es schien, als hätte Ernestina diese fixe Idee aus ihrem Hirn verbannt. Jeder hat seine kleine Verrücktheiten. Es gibt keinen vernünftigen Mann und keine vernünftige Frau, die nicht ein Rädchen hätten, das ab und zu quietscht. Im Gegenteil, je vernünftiger ein Mann oder eine Frau ist, um so quietschender ist dieses Rädchen, das man einfach haben muß, weil sonst die Vernunft zur Monotonie würde. Es ist die angestimmte Dissonanz, die die Perfektion der Komposition unterstreicht. Und so weiter.
Man redete im Hause Daboni nicht mehr über blondes Haar, und sieh da, auf einmal, ohne jemandem etwas zu sagen, ging Ernestina, fünfundvierzig jährig, eines Morgens in die Stadt und ließ sich die Haare blond färben. Es war nicht das Ergebnis langer Überlegungen, denn sie dachte nicht einmal daran. Als sie daran dachte, war ihr Haar bereits blond. Rötlichblond. Keine auffallende Sache, aber immerhin eine Wahnsinnstat angesichts des Klimas im Hause Daboni.
Ernestina erkannte vollauf die Torheit, die sie begangen hatte, als sie in den Bus einsteigen wollte, der sie nach Hause gebracht hätte. Da fiel ihr ein, daß im Bus sicher Leute aus dem Dorf waren, die es bemerkt hätten. Also steckte sie ihren kleinen Hut in die Handtasche und kaufte sich ein breites schwarzes Tuch, mit dem sie ihren Kopf verhüllte. Damit war sie jedoch nicht zufrieden, und so kehrte sie erst gegen Abend mit einem Taxi nach Hause zurück. Bevor sie in das Dorf kam, stieg sie aus und nahm den Weg quer über die Felder. Als sie den Palazzone sah, erfaßte sie der Schrecken: Sie dachte an Carlo, sie dachte an die Kinder. Sie fühlte sich voller Scham und Angst. Ernestina wartete, aber sie fand nicht den Mut einzutreten. Als es stockdunkel war, sah sie die kleinen Kirchenfenster erhellt und suchte dort Zuflucht. Und hier fand sie endlich die Kraft, Don Camillo ihren Fehler einzugestehen.
»Hochwürden, sehen Sie nicht? Sehen Sie denn gar nichts?«
Don Camillo betrachtete eine Weile die schluchzende Frau Ernestina, dann sagte er:
»Gnädige Frau, auch wenn Ihr Mann Ihre Tat als große Torheit betrachtet, handelt es sich in Wirklichkeit um eine Kinderei. Und die Tatsache, daß Sie so verängstigt sind, beweist, daß Sie diese Dummheit begangen haben, ohne lange darüber nachzudenken.«
Die Frau nickte.
»Aber sagen Sie mir doch«, fuhr Don Camillo fort, »warum ist Ihnen denn so plötzlich, mit fünfundvierzig Jahren, dieser absurde Einfall gekommen?«
Die Frau hob den Kopf:
»Es war heute morgen«, erklärte sie, »ich habe mich im Spiegel betrachtet, und da habe ich plötzlich bemerkt, daß ich graue Haare hatte. Mit einemmal habe ich entdeckt, daß ich alt bin, und da hat mich die Verzweiflung gepackt. Ich wollte nicht, daß es auch die anderen sehen.«
Don Camillo dachte an eine lange Rede voller Weisheit, doch er beschränkte sich darauf, sie bei sich vorzutragen:
»Kehren Sie nach Hause zurück, gnädige Frau«, sagte er nur ganz einfach, »kehren Sie nach Hause zurück und hören Sie auf zu weinen. Sie haben schon genug geheult.«
Ernestina blickte ihn voller Angst an.
»Hochwürden, was wird mit mir geschehen?«
»Ich werde für Sie zum gütigen Gott beten«, sagte Don Camillo ruhig: »Gehen Sie, und haben Sie Vertrauen in Gott.«
Ernestina bekreuzigte sich und entfernte sich zögernden Schrittes.
Sie kam zum Palazzone und hielt inne, bevor sie das Gittertor öffnete. Aber inzwischen wollte sie, daß die ganze Sache so schnell wie möglich vorübergehe. Mit Herzklopfen trat sie ein. Die Kinder saßen noch bei Tisch.
»Und Papa?« erkundigte sich Ernestina, ohne das Tuch vom Kopf zunehmen.
»Er ist noch nicht zurück«, teilte der älteste Sohn mit.
»Ich fühle mich nicht wohl, ich geh ins Bett«, sagte Ernestina: »Den Bus habe ich versäumt, und die Rückkehr war einfach schrecklich.«
Eilig ging sie die Treppe hoch und nahm erst, als sie in ihrem Zimmer war, das schwarze Tuch ab. Unten hatten sie nichts bemerkt. Sie zog sich rasch aus, warf sich ins Bett und löschte sogleich das Licht. Aber sie konnte nicht einschlafen: In wenigen Augenblicken würde Carlo zurückkehren, das Licht
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