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Ciao, Don Camillo

Ciao, Don Camillo

Titel: Ciao, Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Guareschi
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dem Weg der Ehrbarkeit zu halten: »Ernestina, gib acht: Wenn ich bemerke, daß du noch daran denkst, jene Dummheit zu begehen, dann nehme ich den Haarschneider und schere dir den Kopf ratzekahl!«
    Und er war dazu und zu noch Schlimmerem fähig, aber Ernestina träumte weiterhin davon, sich die Haare zu färben, trotz dieser Damoklesschere über ihrem Haupt. Und da sie bemerkte, daß sie zu Haus niemals ihren Traum hätte verwirklichen können, dachte sie daran, durch eine Heirat auszubrechen.
    Sie war schon seit einiger Zeit mit Carlo Daboni verlobt und gab ihm zu verstehen, daß ihr das Leben daheim unerträglich geworden war und daß sie sehr gut heiraten könnten, auch wenn sie beide erst einundzwanzig waren. Sie heirateten, und nach der Rückkehr von der Hochzeitsreise, als sie sich im Palazzone niederließen, schoß die selbstsichere Ernestina los:
    »Carlo, seit Jahren träume ich davon, mir die Haare zu färben…« begann sie.
    Sie kam nicht zum Ende, denn Carlo sah sie mit einem Blick voller Abscheu an und sagte mit einer plötzlich finster und drohend klingenden Stimme:
    »Wehe dir, Ernestina!«
    Sie versuchte es nochmals, als sie das erste Kind bekam. Die Glückseligkeit des Mannes ausnutzend, sagte sie:
    »Carlo, sobald ich aufstehen kann, gehe ich in die Stadt und laß mir die Haare färben.«
    Diesmal konnte ihr der Mann nicht mit solcher Gewalttätigkeit entgegnen:
    »Ernestina«, erklärte er ihr, »hält’s, wie du willst. Aber mich siehst du einfach nie wieder.«
    Es vergingen einige weitere Jahre, das zweite Kind wurde geboren, und weil Ernestina eine Menge wichtiger Dinge zu besorgen hatte, fand sie eine gute Weile lang nicht mehr die Zeit, an die blonden Haare zu denken. Aber die Gelegenheit kam wieder, und da antwortete ihr Mann mit Schreien, die auch draußen vor dem Haus vernehmbar waren. Mit neunundzwanzig hatte die Ernestina bereits vier Kinder und führte sich als beispielhafte Mutter auf: Aber der Gedanke an die blonden Haare verließ sie niemals. Und hie und da tauchte er wieder an der Oberfläche auf:
    »Ich verlange nichts, ich begnüge mich, immer hier im Haus zu sein, und ich mache mir nichts aus Vergnügungen und Schmuck. Es gibt nur eines, was ich unbedingt möchte, und das verweigerst du mir! Das ist schiere Bosheit!«
    In solchen Augenblicken wurde Carlo Daboni wütend, und es kam zu schrecklichen Szenen, die den Palazzone eine Woche lang in Aufruhr versetzten.
    Mit vierzig hatte Ernestina einen siebzehnjährigen und danach einen fünfzehnjährigen Sohn, ein Mädchen mit dreizehn und einen Jungen mit elf Jahren. Vier Kinder, die alles genau verstanden, was im Hause geredet wurde, und die jedem Wink der Eltern folgten. Vier Kinder, die ihre Mutter verehrten, ihren Vater überaus liebten und die glücklich zu Hause lebten. Außer in den Momenten, wo die verdammte Angelegenheit der blonden Haare auftauchte. Beim ersten Anzeichen sperrten sie da die erschrockenen Augen weit auf und erwarteten den Sturm, dessen Ausbruch unvermeidlich war. Dem Vater gelang es zwar immer, sich zurückzuhalten, aber die Kinder begriffen, daß die Sache mit jedem Mal gefährlicher wurde. Die letzte Szene gab es, als Ernestina zweiundvierzig war.
    »Genug«, sagte Ernestina in herausforderndem Ton, »morgen gehe ich in die Stadt und tue, was ich tun muß. Bis zum heutigen Tag habe ich wie eine Sklavin gelebt, ohne die Kraft, mich aufzulehnen. Aber morgen werde ich sie finden.«
    Carlo Daboni brüllte, und sein ältester Sohn dachte mit Schrecken: »Herr Jesus, was mach ich bloß, wenn mein Vater an meine Mutter Hand anlegt?«
    Er versuchte, die Mutter mit einem flehenden Blick zu bremsen, aber Ernestina war wie entfesselt.
    »Morgen gehe ich einfach dahin, und niemand wird mich aufhalten können«, wiederholte sie: »Bevor ich sterbe, will ich diese Genugtuung.«
    Ihr Mann antwortete mit fürchterlichem Gebrüll. Er zerschlug alle Teller, die auf dem Tisch waren, und biß sich in die Hände. Aber Ernestina gab nicht nach:
    »Morgen gehe ich, und wenn die Welt zusammenstürzt.«
    Der Mann lief weg, aber bevor er hinausging, drehte er sich zu seiner Frau um:
    »Sieh dich vor!« sagte er zu ihr. Und er sagte es in einem Tonfall, der den Kindern einen eisigen Schauer über den Rücken jagte.
    Carlo Daboni blieb eine Woche lang von zu Hause fort, und als er zurückkehrte, hatte Ernestina das Haar, das sie immer trug. Sobald er das Haus betrat, waren die Haare immer das erste, das er ansah. Und auch dann, als

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