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Ciao, Don Camillo

Ciao, Don Camillo

Titel: Ciao, Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Guareschi
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wieder auf den Weg. Doch nach wenigen Schritten sah er ein, daß er – am Boden zerstört, wie er war – nicht einmal im Traum daran denken konnte, zu Fuß nach Hause zu kommen. Er wohnte fünfunddreißig Kilometer entfernt in der Stadt. Er mußte also Zeit gewinnen und vor allem das Motorrad loswerden. Er lockerte das Ventil des Vorderreifens, und als dieser zusammengesunken war, ging er weiter. Die Mittagsglocke läutete, als der Mann zu Peppones Werkstatt kam. Peppone hämmerte noch, der Mann betrat den großen düsteren Raum.
    »Bitte«, sagte er, »schauen Sie in aller Ruhe nach, ich lasse es Ihnen hier. Ich weiß nicht, ob der Vorderreifen defekt ist oder ob das Ventil Luft verliert. Am Nachmittag komme ich wieder vorbei, etwas später, weil ich im Dorf zu tun habe.«
    Er zog aus dem Sack auf dem Gepäckträger eine sehr abgewetzte lederne Tasche heraus und ging, überzeugt, einen großen Coup gelandet zu haben: »Inzwischen habe ich bis heute abend um fünf oder sechs keine Probleme. Das Motorrad ist sicher abgestellt, es behindert mich nicht und bringt mich daher nicht in Verlegenheit, und ich kann in aller Ruhe daran denken, wie ich den Zaster auftreibe, den ich brauche.« In Wahrheit hatte er seine Lage verschlimmert, denn vorher fehlte ihm nur das Geld für das Benzin, und jetzt brauchte er auch das Geld, das er dem Mechaniker dafür zahlen mußte, daß er einen halben Tag lang das Motorrad bei sich behalten und den Reifen geprüft hatte. Jedenfalls handelte es sich um Kleinigkeiten.
    Wichtig, dringend und notwendig war jetzt, daß es ihm gelang, sich der Neugier der Leute zu entziehen. Ein Fremder in einem kleinen Dorf fällt auf, besonders, wenn man ihn zu einer Stunde hin und her streunen sieht, in der alle anderen zu Mittag essen. Er verließ das Wohngebiet, bog entschlossen beim ersten Feldweg ab und warf sich in den Schatten einer Hecke. Dort fand er auch einen kleinen Graben mit ein wenig stehendem Wasser. Er wusch sich die Hände, feuchtete sein Taschentuch an und reinigte sich das Gesicht. Er fuhr sich durchs Haar, riß ein Büschel Gras aus und wischte sich damit den Staub von den Schuhen. Den Bart hatte er sich am Morgen mit dem Rasierer entfernt, den er stets in der Tasche auf dem Motorrad bei sich führte. Nun war er also wieder in Ordnung und konnte sich überall würdevoll zeigen. Als er vorhin noch staubig, ungekämmt, schweißbedeckt und mit dem verdammten Motorrad, das er wie ein Kreuz mit sich schleppen mußte, durch die Gegend zog, war er sich sicher, daß das Übel ausschließlich in der Unordnung seiner Person und in der Verlegenheit lag, die ihm das Motorrad verursachte: Sobald diese Unordnung behoben und die Verlegenheit verschwunden sei, würde alles sogleich wieder in bester Ordnung sein.
    Aber jetzt erkannte er, daß sich die Lage nur verschlimmert hatte. Wen sollte er gerade jetzt um die Mittagszeit aufsuchen? Wem sollte er da Schuhwichse und Seifen anbieten? Und auch wenn es ihm – angenommen – gelungen wäre, jemanden dazu zu bringen, eine Bestellung zu unterschreiben, wer hätte ihm da Geld im voraus gegeben für eine Ware, von der er nur Muster gesehen hatte?
    Schon seit vier Jahren übte er diesen Beruf aus. Der Krieg hatte ihn mit zweiundzwanzig aus seinem Lebensrhythmus herausgerissen; nach fünf Jahren war er zurückgekehrt und hatte niemanden mehr zu Hause vorgefunden. Er hatte nichts und niemanden vorgefunden, nicht einmal das Haus. Nur einen Haufen nackten, rohen Mörtelschutt, denn die Leute hatten alles gestohlen, was nicht Mörtelschutt war, sogar die noch heilgebliebenen Ziegel.
    Man hatte ihm ein bißchen Geld für die Kriegsschäden gegeben, und damit und mit dem anderen bißchen Geld, das er vom Militärdistrikt als Entschädigung für die zwei Jahre Gefangenschaft in Deutschland erhalten hatte, hatte er sich ein paar Kleidungsstücke angeschafft, ein wenig Wäsche und das billige Gerät, das nötig war, um eine, Gott weiß woher, extra für ihn geschaffene winzige Dachkammer zu möblieren.
    Das Motorrad gehörte ihm nicht, er borgte es sich von Mal zu Mal aus, und man machte ihm einen guten Preis. Eine fünftrangige Firma hatte ihn als Vertreter aufgenommen. Er klapperte im Umkreis von vierzig Kilometern das Gebiet um die Stadt ab. Seit vier Jahren machte er die Runde, um schlechte Seife und allerschlechteste Schuhwichse Leuten anzubieten, die fast immer ihre Läden mit feinster Seife und ausgezeichneter Schuhcreme vollgestopft hatten. So vergab er

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