Ciao, Don Camillo
mich in der Stadt studieren.«
Niemand im Dorf wußte, was zum Teufel Emporio in der Stadt lernte. In den Ferien kam er zurück, und als Freunde versuchten, ihm auf den Zahn zu fühlen, entzog er sich, indem er sagte: »Ich mache Handelspraxis.«
Als Emporio zweiundzwanzig wurde, platzte die Bombe im Dorf. Emporio studierte Gesang. Es stand in der Provinzchronik der Zeitung: Anteo Bigatti hatte sich bei der Prüfung am Konservatorium besonders ausgezeichnet.
Und es gab keinen Zweifel, denn in der Auslage des Warenhauses mit Haushaltsartikeln war die Zeitung aufgeklebt und die Nachricht von der Prüfung im Konservatorium dick und rot umrandet.
Man wartete, bis Emporio zu den Ferien zurückkehrte, aber er kam nicht. »Er hat sich in Nebel aufgelöst«, sagten die Leute.
Fünf Jahre danach starb der alte Bigatti. Die Alte blieb einige Monate, um im Geschäft zu weinen, dann, eines Morgens, wurden die Rolläden nicht mehr hochgezogen und blieben fortan stets geschlossen: Die Eheleute Pitacio waren wieder vereint.
»Vielleicht ist auch er gestorben«, kommentierten die Leute, da sie Emporio weder beim Begräbnis des Vaters noch bei dem der Mutter sahen. Aber Emporio war nicht gestorben, und eines Tages tauchte er auf der Seite 3 einer Zeitung wieder auf: »Sensationeller Erfolg des Tenors Anteo Bigatti in Argentinien.« Die Leute im Dorf waren erstaunt, denn sie konnten sich nicht vorstellen, daß Emporio Pitacio irgend etwas Großartiges vollbracht haben könnte. Dann waren sie jedoch gezwungen, es einzusehen, denn der Name Anteo Bigatti wurde immer berühmter, und als die wichtigste Tageszeitung des Landes ein Interview veröffentlichte, das Anteo Bigatti dem Korrespondenten in New York gegeben hatte, war das Dorf ganz aus dem Häuschen.
In diesem Interview behauptete Anteo Bigatti, daß – sobald er seine zahlreichen Verpflichtungen in den wichtigsten Bühnenhäusern Amerikas beendet hätte – er in Europa und somit auch in Italien singen würde. Und das war gut. Aber etwas weiter unten behauptete man, daß Anteo Bigatti »in Castelletto, einem kleinen Ort am Ufer des Po geboren wurde…«
»Verdammte Schweine!«, schrien die Leute im Dorf, »Anteo Bigatti ist hier geboren, nicht in Castelletto! Anteo Bigatti gehört uns!« Peppone ließ das Geburtsregister fotokopieren und schickte die Kopie mit einem stolzen Protestschreiben an die Zeitung. Der Chefredakteur benutzte die Gelegenheit, um einen Sonderberichterstatter ins Dorf zu schicken, der Material für einen Artikel über die Kindheit des großen Tenors sammeln sollte. Es stellte sich heraus, daß alle irgend etwas über die außergewöhnliche Berufung zum Gesang, die Anteo Bigatti schon als kleiner Junge gezeigt hatte, zu erzählen wußten, und es stellte sich ebenfalls heraus, daß alle schon seinerzeit gewußt hätten: »Dieser Junge wird Großes vollbringen.«
Nur Don Camillo erklärte, als ihn der Journalist befragte, daß er überhaupt nichts begriff:
»Er war derjenige, der im Chor am schlechtesten sang. Ich erinnere mich, daß ich mich gezwungen sah, ihn wegen völligem Fehlen von Stimme und Gehör auszuschließen. Von seiner Art war der Junge schweigsam, griesgrämig und ziemlich unsympathisch.«
Die Zeitung druckte auch prompt die Äußerungen Don Camillos, und die Sache war so ungeheuerlich für das Dorf, daß Peppone eine öffentliche Versammlung abhielt, um empört jene zu tadeln, »die, obwohl sie das Kleid der Diener der christlichen Religion tragen, jede Gelegenheit dazu benutzen, die berühmten Künstler zu verleumden, die den fruchtbaren Keimlingen des gesunden arbeitenden Volks entsprossen sind.«
Er sagte weiters, daß »der Ort sich rühmte, einen Sohn wie Anteo Bigatti zu haben, auch wenn das mittelalterliche Dunkelmännertum des Klerikalismus diese strahlende Karriere zu behindern versuchte, indem es die Schönheit seines Gesangs verleugnete, der heute auf den größten Bühnen der Welt ertönt und das Prestige des Landes und des Geburtsorts hochhält!«
Don Camillo ließ sich dadurch nicht aus der Fassung bringen. Er antwortete überaus schlicht:
»Ich kann dem lieben Gott nicht vorwerfen, daß er mir kein feines musikalisches Gespür gegeben hat, zumal er mir eine viel wichtigere Tugend geschenk hat: die der Aufrichtigkeit.«
Es verging einige Zeit, und jedesmal, wenn eine wichtige Zeitung über Anteo Bigatti schrieb, wurde der Ausschnitt mit der Nachricht in die Auslagen der wichtigsten Kaffeehäuser und Geschäfte
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