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Ciao, Don Camillo

Ciao, Don Camillo

Titel: Ciao, Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Guareschi
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in jenem Augenblick hörte man eine Stimme:
    »Kinnbacken, mach dir keine Scherereien wegen sechshundert Lire.«
    Kinnbacken lockerte den Griff und drehte sich um: »Ich hab ihm zu essen gegeben«, sagte er, »ich bin nur ein armer Teufel, und du weißt es. Warum ist er, wenn er nicht einmal einen Centesimo hatte, gerade mich betrügen gekommen?«
    »Ich bin ins erstbeste Wirtshaus gegangen«, erklärte der junge Mann, und Kinnbacken ballte die Fäuste:
    »Warum habt Ihr, als Ihr hereingekommen seid, nicht gesagt, daß Ihr ohne Geld seid und Hunger habt? Irgend etwas hätte ich Euch trotzdem gegeben.«
    »Ich habe in meinem Leben nie um Almosen gebettelt«, meinte der Mann. »Und dann brauchte ich Wein, viel Wein.«
    Kinnbacken hatte das Repertoire seiner Argumente erschöpft.
    »Genug!« brüllte er. »Ihr geht hier nicht hinaus, bis Ihr mir nicht etwas gegeben habt, um den Schaden gutzumachen.«
    In einer Ecke des Spelunkenraums saßen ein paar Männer an einem Tisch und spielten Karten. Sie hörten damit auf und warteten ab. Kinnbacken war in Fahrt, und sicherlich würde bald ein Gemetzel losgehen.
    Der junge Mann dachte an den großen Fluß, der auf ihn wartete, und verspürte fast ein tückisches Vergnügen wegen dem. was ihm gerade geschah. Als ob es jemand anderem passieren würde. Er stöberte in seinen Taschen und zeigte dann Kinnbacken seinen spärlichen zusammengestoppelten Plunder.
    »Es gibt nichts, das etwas taugt«, erklärte er, »wenn Ihr wollt, daß ich Euch die Jacke dalasse…«
    »Ich will keine Lumpen!« grunzte Kinnbacken.
    »Ich habe diese Tasche, den Füllschreiber… «
    »Ich will keinen Blödsinn!« grunzte Kinnbacken noch wilder. Der Mann sah auf sich selbst hinunter und breitete die Arme aus: »Ich weiß nicht, was ich Euch geben kann«, sagte er. »So sehr ich auch nachdenke, ich weiß nicht, was ich Euch geben kann. Ich kann Euch nicht einmal einen Wechsel unterschreiben, weil ich weiß, daß ich ihn niemals bezahlen könnte… «
    Sein Blick fiel auf die Wand nebenan, und er sah die kleinen Bilder mit den üblichen alten Öldrucken der Gasthäuser und dem Land: Othello, der dabei ist, Desdemona zu erwürgen, Rigoletto, der mit erhobenem Arm brüllt »Adelige, ihr feige verdammte Rasse« und so weiter. Da erinnerte er sich an eine alte Geschichte während seiner Gefangenschaft, als er nämlich, um von den Deutschen ein paar Holzsandalen zu bekommen, »O sole mio!« singen mußte, und er wandte sich an Kinnbacken: »Hört«, sagte er, »ich weiß nicht, was ich Euch geben soll. Wenn Ihr wollt, kann ich Euch etwas vorsingen.«
    Als ihm in den Sinn kam, daß er, wenn er so etwas sagte, dem Wirt das Startzeichen zum Gemetzel gab, war es zu spät: Kinnbacken hatte schon die Fäuste geballt und schritt unaufhaltsam voran.
    »Ihr wollt mich also mit einem Liedchen bezahlen?« fragte er, als er ihm direkt gegenüberstand.
    »Ja«, erklärte der junge Mann, »als ich in Gefangenschaft war, gab mir ein Deutscher für ein Liedchen ein paar Holzsandalen, eine Schnitte Brot in dieser Größe und eine Zigarette.«
    Kinnbacken war einen Augenblick lang verwundert, dann ging er zurück und schlüpfte hinter die Theke.
    »Also los«, sagte Kinnbacken.
    Der Mann nickte und lockerte seine Stimme. Inzwischen schaute er um sich herum und entdeckte knapp über der Tür ein ungelenk gemaltes Bild des Giuseppe aus jener Gegend.
    Mit äußerster Intensität betrachtete er verzweifelt dieses Bild und suchte dabei die Augen, die er schließlich fand und dann nicht mehr losließ. Es waren zwei kleine Augen, die aber im Schatten wie zwei Diamanten blinkten. Der junge Mann wartete auf ein Zeichen, und als er es durch einen Lichtreflex, der aus dem Schatten herauskam, erhielt, sang er etwas von Verdi.
    Er fuhr fort zu singen, ohne jemals von jenen Augen wegzuschauen, und er fühlte, wie aus seinem Mund eine Stimme kam, die ihm nicht einmal die seine schien, und in den Höhen preßte er den Atem, den er in den Lungen nicht vorfand, aus dem Herzen heraus. Der Wein? Der Grappa? Die Luftspiegelung des Flusses, der auf ihn wartete? Er sang, und als er die beiden Edelsteine im Schatten verlöschen sah, begriff er, daß er zu singen aufgehört hatte.
    Kinnbacken war dort, mit dem Ellbogen auf der Theke, den riesigen Kopf in die haarigen Pranken gestützt, und atmete nicht einmal. Und jene in der kleinen Gruppe am Ende des Raums schienen sich mit Kinnbacken abgesprochen zu haben.
    Der junge Mann machte eine Bewegung und

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