Ciao, Don Camillo
ging zur Tür, da der Fluß ihn erwartete. Als er an der Theke vorbeikam, rüttelte Kinnbacken seine Erstarrung ab: Er erhob sich, öffnete die Schublade, stöberte darin herum und legte dreihundertneunzig Lire auf die Marmorplatte.
»Mein Herr, das ist der Rest der tausend Lire«, sagte er mit tiefer Stimme.
Der junge Mann drehte sich um und war wie verzaubert durch diese außergewöhnliche Geste. Dann erfaßte die Atmosphäre des Melodramas auch ihn, und er antwortete lächelnd:
»Der Rest ist Trinkgeld.«
»Danke, mein Herr«, antwortete Kinnbacken. Und in seinen Augen leuchtete der Blitz der Verwunderung, denn er hatte noch nie in seinem Leben ein so großes Trinkgeld bekommen.
Draußen hatte die Sonne aufgehört, die Felder zu massakrieren, und war langsam dabei, einen Sonnenuntergang zu inszenieren, der sich dem lyrischen Himmel der »Macht des Schicksals« würdig erwies.
Der junge Mann kam zum Flußufer. Aber das Wasser wies ihn ab. Alles war gleich, doch alles war jetzt anders.
»Hier ist das Motorrad.«
Der junge Mann drehte sich um. Peppone stand hinter ihm und hielt das kleine Motorrad an der Lenkstange. Der Mann wollte irgend etwas sagen, doch Peppone ließ ihm keine Zeit dazu.
»Alles in Ordnung«, erklärte er, »der Reifen und das Benzin.« Der junge Mann breitete die Arme aus, aber Peppone schüttelte den Kopf:
»Machen Sie sich keine Umstände, ich wurde schon für alles bezahlt, denn auch ich war im Wirtshaus.«
Sie gingen den Weg hinunter, der zur Landstraße führte.
»Wie habe ich gesungen?« fragte der Mann.
»Ich weiß nicht«, antwortete Peppone, »es klang gar nicht wie eine Stimme. Ich hab keine Ahnung, an was zum Teufel es erinnerte. Das sind Dinge, die man fühlt, aber nicht versteht.«
Der junge Mann seufzte:
»Ich war vollgesoffen mit Wein.«
»Ach was, Wein!« brummte Peppone. »Reden wir keinen Blödsinn. Ich weiß schon sehr gut, was beim Wein herauskommen kann.«
Der junge Mann bemerkte etwas an der vorderen Gabel des Motorrads und bückte sich.
»Ich hatte nicht die Zeit, sie wieder anzustreichen«, erklärte Peppone. »Sie war auf beiden Seiten gerissen, und ich hab sie geschweißt. Wenn Ihr noch fünfhundert Meter gefahren wärt, dann hättet Ihr Euch das Genick gebrochen. Das Benzin ist Euch im rechten Augenblick ausgegangen.«
Der Mann erblaßte, und die Hände begannen ihm zu zittern:
»Das ist nicht möglich«, rief er.
»Ja, aber heute ist es Schicksal, daß nur unmögliche Dinge geschehen«, erwiderte Peppone. Dann schwieg er eine Weile und schloß:
»Junger Mann, man mag sagen, was man will, aber – Politik beiseite – der Himmlische Vater bleibt immer der Himmlische Vater.«
Der junge Mann sprang aufs Motorrad, und gleich nach den ersten Metern bergab summte der Motor. Und Peppone stand da, hörte dem Summen des Motors zu, und es schien ihm eine symphonische Dichtung, die sich langsam auflöste und in der Luft verflüchtigte.
Warenhaus Pitacio
Mit fünfundzwanzig Jahren vertrug es Giosue nicht mehr, daß ihn alle im Dorf »Pitacio« nannten; und so ging er in die Stadt, um dort zu arbeiten. Er blieb dort fünfzehn Jahre und kehrte gut gekleidet, gut mit Geld ausgestattet und gut verheiratet ins Dorf zurück. Er eröffnete einen hübschen Laden auf dem Hauptplatz und ließ auf das Geschäftsschild schreiben:
GIOSUE BIGATTI & SOHN
EMPORIO – (WARENHAUS)
Haushaltsartikel
Der Sohn, von dem das Schild sprach, hatte noch nicht das Alter von zehn Monaten erreicht, aber den Sohn gab es jedenfalls, und er hieß Anteo Bigatti. Aber die Leute dachten nicht einmal eine Minute lang nach: »Giosue Bigatti & Sohn Emporio-(Warenhaus)«, sagten sie. Und da Giosue Bigatti Pitacio hieß, wurde Anteo Bigatti eben Emporio Pitacio genannt. Anteo traf keinerlei Schuld, aber das Schicksal der Bigatti war tragisch, und der Übername blieb an ihm haften. Sein Vater und seine Mutter versuchten nicht einmal, dagegen anzukämpfen; und als eines Tages der sechsjährige Anteo weinend aus der Schule kam, weil seine Kameraden ihn Emporio Pitacio genannt hatten, antwortete der Vater: »Laß sie reden, Anteo. Wenn du groß bist, wirst du ihnen zeigen, wer du bist!«
Anteo behielt diese Worte im Kopf, und so steckte er es in der Folgezeit immer, ohne mit der Wimper zu zucken, ein, wenn sie ihn Emporio oder Pitacio nannten.
Mit sechzehn jedoch begann ihm die Sache lästig zu werden, weil ihn auch die Mädchen Emporio riefen. Deshalb sagte er zu seinem Vater:
»Laß
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