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Ciao, Don Camillo

Ciao, Don Camillo

Titel: Ciao, Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Guareschi
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Gruß. »Bleib von meinem Haus fern, denn ich bin fähig, dich die Tonleiter von deprofundis spielen zu lassen.«
    Die Polizei mußte den Palazzone längere Zeit bewachen, denn die Roten waren wütend auf den Marchese, und auch als der Sturm vorüber war, gab es für den Alten noch schlimme Tage. Aber der Marchese blieb auf seinem Posten:
    »Wenn es Zeit ist zu krepieren, krepiere ich«, sagte er. »Aber ich krepiere hier, wo ich geboren bin.«
    Inzwischen hatte er nicht mehr die Luft, um seine Klarinette zu blasen, aber die Symphonie des Flusses trug er weiterhin in seinem Herzen, und der Fluß sang sie ihm jeden Tag und jede Nacht.
    Es vergingen weitere Jahre, und eines Tages ging die Nachricht durch das Dorf, daß der alte Marchese gestorben war.
    »Dieses verdammte Schwein ist mir entwischt!« rief Falchetto, als er es erfuhr. Er war giftig aufgeblasen und fühlte, daß er den toten Marchese noch mehr als den lebenden haßte.
    Und sieh da, ein gutgekleideter Herr kam in Falchettos Haus und legte ihm ein Päckchen mit großen Lacksiegeln in die Hände.
    »Bevor er starb«, erklärte der Mann, »mußte ich dem Marchese versprechen, Ihnen persönlich das hier zu überbringen.«
    Der Falchetto zerriß die Verpackung und hielt die berühmte Klarinette in den Händen.
    »Ich begreife nicht«, stotterte Falchetto.
    »Ich noch weniger als Sie«, erwiderte der Mann.>»Das hier bringen Sie persönlich jenem jungen Mann, den man Falchetto nennte, hat der Marchese gesagt. Und ich konnte ihn gewiß nicht um nähere Auskünfte fragen, denn er lag bereits im Sterben.«
    Falchetto drehte die Klarinette in seinen Händen und suchte sie nach einem Zettel ab. Er fand nichts. Dann versuchte er, die zerrissene Verpackung wieder zusammenzufügen.
    »Das Päckchen habe ich gemacht, und den Siegellack habe ich in Gegenwart von Zeugen angebracht«, erklärte der Mann. »Ich bin der Notar.«
    Falchetto schloß sich auf dem Dachboden ein, denn er wollte das Phänomen in Ruhe überdenken. Der Marchese, der ihn einen Okarinaspieler genannt und ihm dann die Doppelflinte auf die Brust gerichtet hatte, dieser verdammte Alte, der ihn schrecklich hassen mußte, er hatte die Kraft, zwei Minuten bevor er krepierte, an ihn zu denken, an Falchetto, und hinterließ ihm als Erbschaft seine Klarinette. Verdrehte Welt, was bedeutete diese Geschichte? Was wollte der alte Mann von ihm?
    Die Klarinette lag da, klar und rein wie ein Juwel. Sie war ein herrliches Instrument, ein wertvolles Stück. Falchetto versuchte das Musikinstrument an den Mund zu führen, und es kam ein Triller heraus, der ihm einen Schauer über den Rücken jagte.
    Um vom Dorf zum Palazzone zu gelangen, mußte man den Weg über den Uferdamm gehen, und so machte der Marchese seine letzte Reise ein gutes Stück lang in Begleitung des Flusses.
    Don Camillo, der Psalmen singend dem Leichenwagen vorausging, sah, als er auf der Höhe des Waldes von Cabianca war, etwas zu Füßen des Damms glitzern. Es war die Musikkapelle, die da wartete, und als der Wagen vorbeikam, gab Falchetto ein Zeichen.
    Don Camillo ließ den Leichenzug anhalten und wartete, ebenfalls ohne sich zu rühren. Hinter dem Damm stiegen allmählich Noten auf: »Das Lied des Po«, Mittag, sonniger und regungsloser Nachmittag, Abend, Nacht mit sehnsuchtsvoller Mondserenade. Das Krähen des Hahns, die Morgendämmerung und dann die Notensalven der Lerche.
    Und es lag in dieser Klarinette, die zu Füßen des Damms spielte, die ganze schwarze Seele des Marchese, die ganze schwarze Seele des Falchetto und die ganze schwarze Seele all dieser verdammten Leute, die da leben auf diesem Stück Land zwischen dem Berg und dem Fluß. Die Lerche stieg schnurstracks in den Himmel und ließ eine Spur hoher Töne zurück wie einen dünnen silbrigen Faden. Und als sie zur letzten Note kam, hielt sie inne und ließ sie nachklingen.
    Dann gab das Kornett von unten Alarm, und Trompeten und Posaunen brachen ungehemmt los: kraftvoll, hochherzig, bewegt erhob sich die triumphale Hymne des Flusses. Und es schien, als ob Giuseppe Verdi persönlich auf jenem Damm die Musikkapelle dirigierte mit den Gesichtsfalten und den üblichen ungelenken Grimassen der Leute, die ein Herz haben, das so groß ist wie diese unsere kleine Welt.
    »Gut«, sagte die Seele des Marchese, und der Wagen fuhr seinen Weg weiter.
     
     

 

 

HERBST
     
     
     

Tragödie
    Im Herbst, wenn es regnet, sind die Dörfer am Ufer des Flusses alle schon tot und begraben, und wenn

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