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Ciao, Don Camillo

Ciao, Don Camillo

Titel: Ciao, Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Guareschi
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man die Nase aus der Tür herausstreckt, ist es, als ob man auf einen Friedhof schaut. Und wenn man plötzlich einen verzweifelten Schrei von der Straße her hört, dann verschließen die Leute, die noch wach sind, die Fensterläden, und diejenigen, die schon im Bett liegen, stecken den Kopf unter das Kissen.
    Don Camillo las gerade einen dicken Sammelband mit alten Nummern der »Domenica del Corriere« voller Zugunglücke, Feuersbrünste und Überschwemmungen, als er ein Kratzen an der Jalousie hörte. Als er sich näherte, vernahm er ein leises Rufen. Er öffnete, und in einem regendurchweichten Mantel und bis zu den Knien voller Schmutz erschien Peppone.
    »Was zum Teufel ist denn los mit dir?«
    »Ich habe Angst, jemanden umgebracht zu haben.«
    »Jemanden was?«
    »Einen Mann. Wenn ich Angst hätte, ein Pferd umgebracht zu haben, dann würde ich zum Tierarzt, nicht zum Priester gehen.«
    »In solchen Fällen wäre es besser, man ginge zum Wachtmeister der Carabinieri. Aber wie dem auch sei, rede!«
    Peppone schob das Haar zurück, das ihm der Regen an die Stirn geklebt hatte:
    »Da gibt’s nicht viel zu sagen«, murmelte er, »ich ging gerade nach Hause und überquerte das Borghetto, als ich auf vier Typen stieß, die dabei waren, die Plakate herunterzureißen, die ich heute früh habe aufkleben lassen. Da habe ich ihnen gesagt, was gesagt werden mußte, und so sind alle vier auf mich losgegangen.«
    »Peppone«, unterbrach ihn Don Camillo streng, »hier stehst du nicht vor Gericht, hier stehst du vor einem Beichtvater.«
    »Also«, fuhr Peppone fort, »mir sind ein paar Ohrfeigen entschlüpft, und die sind zu viert auf mich los. Dann habe ich mich, da ich einen Prügel zur Hand hatte, verteidigt, und drei sind davongelaufen, während einer der Länge nach hingestreckt am Boden blieb. Ich habe versucht, ihn hochzuziehen, aber ich hörte sein Herz nicht mehr schlagen und habe ihn wieder hingelegt. Weil dann Leute vorbeikamen, bin ich davongerannt. Ich habe eine weite Runde durch die Felder gemacht, und dann bin ich hierhergekommen.«
    Don Camillo schüttelte den Kopf.
    »Schlimme Sache, Herr Bürgermeister.«
    »Es ist nicht meine Schuld: Sie haben die Plakate heruntergerissen, nicht ich.«
    »Aber du hast sie verdroschen. Es hätte genügt, daß du einen am Kragen gepackt und ihn dann zu den Carabinieri gebracht hättest!«
    Peppone zuckte die Achseln. »Das sind wohl gerade die Augenblicke, in denen man an die Carabinieri denkt!«
    »Es hätte einfach genügt, sich daran zu erinnern, daß man ein Christ ist.«
    »Wenn es um Politik geht, dann vergißt man sogar, daß man ein Christ ist. Meint Ihr, er ist tot?«
    »Meiner Meinung nach ist er, wenn sein Herz nicht mehr geschlagen hat, tot. Jedenfalls wird man es bald erfahren.«
    Peppone breitete die Arme aus.
    »Und nun, was mache ich?«
    Don Camillo legte ihm den Finger unter die Nase.
    »Das hättest du mich früher fragen müssen, nicht jetzt, wo du ihm schon den Prügel über den Kopf gezogen hast. Jetzt bleibt dir nur die Reue für dein begangenes Verbrechen.«
    »Verbrechen! Ich habe keinerlei Verbrechen begangen! Ich bin doch kein Gauner! Ich bin ein Ehrenmann.«
    »Na also, da du ein Ehrenmann bist, hast du ein ruhiges Gewissen. Dann brauchst du nicht einmal zu bereuen. Du hast recht. Unrecht hat, wer das fünfte Gebot erfunden hat.«
    Peppone hob den Blick.
    »Ich dachte, Ihr wärt menschlicher«, sagte er, »christlicher.«
    Da ärgerte sich Don Camillo.
    »Und wie kann ein Mensch verlangen, Verständnis und Trost zu finden, der einen anderen Menschen umbringt und nicht einmal einsehen will, daß er ein Verbrechen begangen hat?«
    »Wenn ich ihn hätte umbringen wollen, dann hätte ich ein Verbrechen begangen. Es war der Prügel, der ihn getötet hat, nicht ich. Das Gesetz kann mir vielleicht sagen, daß ich ihn umgebracht habe. Aber mein Gewissen nicht. Und dann ist nicht gesagt, daß ich ihn getötet habe! Warum wollt Ihr unbedingt, daß ich ihn getötet habe? Wenn Ihr ein Priester und Ehrenmann wärt, dann müßtet Ihr zu Gott beten, daß er nicht tot ist!«
    Don Camillo seufzte.
    »Ich kann einfach nur hoffen, daß er nicht tot ist. Und ich kann Gott bitten, daß er jenen Unglückseligen, falls er noch nicht tot ist, am Leben hält.«
    Peppone ging zur Tür. Dann drehte er sich um.
    »Wohin gehe ich?« fragte er. »Die anderen drei haben mich sicherlich erkannt. Wenn ich hinausgehe, verhaften sie mich. Sie werden mich zu Hause holen, vor meiner

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