Ciao Mayer
feingliedriger Junge in einer rauen Stadt wie Rom sonst Polizist, wenn nicht, um sich selbst zu schützen. „Kaninchen“ hatten sie ihn in der Schule oft verspottet, wegen seiner großen Ohren und seiner kurzen Nase. Womöglich saß der sogar gerne hier in seinem Kaninchenstall, fluchte Massimo innerlich, während er sich hilfesuchend umschaute. Aber ein komfortablerer Platz, um sich zu unterhalten, war einfach nicht vorgesehen. Rechts ein winziges Aktenregal, links das Fenster. Das öffnete Gianni und beide zündeten sich eine Zigarette an.
„Gibt's was Neues im Mordfall Motti?“ begann Massimo seine Recherche.
Gianni schüttelte den Kopf. „Offen gesagt, ist schon deine Ausdrucksweise voreilig, nicht belegt.“
Massimo verstand nicht.
Gianni schlug einen belehrenden Ton an. „ ‚Mordfall Motti’, sagst du. Es könnte durchaus auch ein Unfall gewesen sein. Noch ist weder das eine noch das andere bewiesen.“
Massimo tippte sich an die Stirn. „Spinnst du jetzt? Oder müßt ihr was vertuschen? Hast du gesehen, wie der Junge aussah? So 'was ist doch kein Unfall. Ich meine, stell dir das vor: Harmloser Spaziergänger geht mit seinem Wolfstier Gassi, Wolfstier läuft ein paar Meter voraus, zerfetzt Motti, Herrchen kommt, schimpft mit seinem Fifi – ‚was hast du denn schon wieder gemacht, böser Hund’ - und geht nach hause. Soll ich mir das so ungefähr vorstellen?“
Gianni blieb beharrlich destruktiv. „Du kannst dir denken, was du willst. Doch klare, eindeutige Belege gibt es bislang für gar nichts. Halt doch deine journalistische Phantasie mal kurz zurück und denke nur logisch! Warum kann es kein Unfall gewesen sein? Ein Sportler joggt im Park, frühmorgens, es ist noch dunkel. Zu eben dieser Stunde führt ein Halter von zwei, drei Kampfhunden seine Lieblinge aus. Später kann er das nicht, es wäre zu gefährlich, zu viel los im Park. Er läßt die Bestien frei laufen, Tripp-Trapp kommt Motti angerast, die Hunde gehen instinktiv drauf, machen Beute, und, bevor Herrchen ‚aus’ rufen kann, ist der Junge hinüber. Herrchen sieht die Bescherung, kriegt Angst, denkt an die Konsequenzen und haut ab. So, was spricht dagegen?“
Massimo sah den Freund irritiert an.
„Okay, okay“, brummelte er nach einer kleinen Weile, „theoretisch wäre das denkbar. Aber die auffälligen Veränderungen im Leben des kleinen Motti, seine Beziehungen zur Wettmafia...“
Weiter kam er nicht.
Gianni fiel ihm hart ins Wort. „Deine Wettmafia kannst du dir in die Haare schmieren, Massimo. Du schreibst in deinen Artikeln zum Fall Motti jeden Tag eine frei erfundene Geschichte, eine Scheiß-Geschichte, wenn ich das sagen darf, ohne jeden Beleg.“
Massimo murmelte ein zaghaftes „Ich weiß. Ich finde sie auch nicht so toll!“
„Sorry, aber das musste mal raus! Ehrlich, ich ärgere mich über das, was du zu dem Fall schreibst.“
Er hielt Massimo seine Zigarettenschachtel entgegen.
Beide zündeten sich eine an, zogen den Rauch ein und schwiegen.
„Habt ihr denn in Richtung Wettmafia überhaupt recherchiert?“ fragte Massimo schließlich.
Klar hatten sie das, begann Gianni, nun weniger aufgeregt, seinen Bericht zu Lage. Wenn erst Massimos Blatt und danach die anderen Zeitungen eine solche Beziehung herstellten, konnte die Polizei doch gar nicht umhin, den Spekulationen oder Gerüchten nachzugehen. Aber sie hätten bislang nichts gefunden, was in diese Richtung wies. Die Telefone aller Personen im Umfeld des Systems illegaler und meistens auch getürkter Sportwetten würden seit Monaten sowieso abgehört. Wegen einer Staatsschutz-Aktion von der Gianni weiter nichts wusste. Die Polizei hatte nur Amtshilfe geleistet. Aber natürlich hätte man alle Gesprächs-Mitschnitte kopiert, ehe man sie dem Staatsschutz übergeben hatte. Zur Sicherheit. Wer wusste denn schon wozu der einmal gut sein könnte? So konnte man jetzt darin nach einem Hinweis auf Motti suchen. „Ergebnis“, schloß Gianni seinen Vortrag, „null, nichts, gar nichts.“
Wieder schwiegen beide.
Bis Massimo sich räusperte und leise fragte: „Habt ihr mal kontrolliert, ob der Fall Motti und der Mord an dem Kalabresen, den ihr aus dem Tiber gefischt habt, irgendwie zusammenhängen könnten?“
Gianni sah ihn gequält an. „Oh nein! Wie kommst du jetzt auf den Quatsch? Was hat Motti mit dem Toten im Tiber zu tun? Massimo, bitte, laß gut sein!“
Aber Massimo ließ es nicht gut sein. Erstens: Wann waren die beiden umgekommen? begann er sein
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