Ciao Mayer
Plädoyer. In derselben Nacht, womöglich zur selben Stunde, man wusste es nur noch nicht so genau. Zweitens: Wo waren die beiden zu Tode gekommen? Nur ein paar hundert Meter voneinander entfernt. „Also, nehmen wir an...“, Massimo spann seine Theorie fort. Gianni hörte nur widerwillig zu, warf gelegentlich ein „reine Spekulation“ oder ein „frei erfunden, es könnte ebenso umgekehrt sein“ dazwischen und sah wiederholt auf seine Armbanduhr.
Schließlich unterbrach er Massimos Redeschwall abrupt. „Sei nicht beleidigt, Massimo, aber ich muss jetzt rüber zu meinem Chef. Weißt du, in dieser Minute fängt die tägliche Lagebesprechung an. Da darf man nicht fehlen.“ Er hob entschuldigend die Schultern. "Es tut mir leid, dass es jetzt so plötzlich sein muss, aber..."
Massimo erhob sich und winkte ab. „Kein Problem. Du glaubst sowieso kein Wort von dem, was ich dir erzählt habe.“
Gianni grinste. „Du hast doch genug Leser, die dir solche Räuberpistolen glauben.“
Er schloß die Tür ab, nachdem sie gemeinsam das Zimmer verlassen hatten, umarmte Massimo flüchtig und sagte: „Ich muss hier rüber, du findest doch raus oder?“
Massimo nickte. „Klar.“
Er fand tatsächlich den Ausgang, ohne Probleme. Nur, draußen fand er seine Vespa nicht. So sehr er auch suchte, sie blieb verschwunden.
„Geklaut“, akzeptierte er schließlich die einzig plausible Schlussfolgerung. Direkt vor dem Polizeipräsidium. Rom war manchmal wirklich eine Scheiß-Stadt!
*
In der Redaktion suchte er Pippo und fragte ihn nach dem Verbleib dessen alten Mopeds. Vor ein paar Monaten hatte der sich ein neues Motorino gekauft, wie Massimo wusste. Klar könnte Massimo das alte einstweilen haben, sagte Pippo, es stünde ja ohnehin nur nutzlos in der Garage rum. Im Übrigen nahm Pippo die Geschichte vom geklauten Moped locker und bestärkte Massimo in dessen Einschätzung, dass Rom manchmal wirklich eine Scheiß-Stadt wäre und dass es überhaupt nichts nutzen konnte, den Diebstahl anzuzeigen: Man hätte viele Scherereien und am Ende zahlte die Versicherung sowieso nichts.
„Kannste nix machen!“ lachte Pippo und versprach sein altes Moped am nächsten Tag mitzubringen. Er konnte heute Abend mit Carlo, aus der Bildredaktion, nach hause fahren. Der wohnte nur zweihundert Meter von ihm entfernt.
„Stop Mayer!“
Unauffällig hatte er sich an der Tür seines Chefredakteurs vorbeischleichen wollen. Aber der hatte die dumme Eigenart, seine Bürotür sperrangelweit offen zu halten und neugierig jeden zu registrieren, der vorbeiging. Nur wenn er „aus Scheiße Gold machen“ musste, wie er es nannte, wenn er die Artikel seiner, per Definition unfähigen, Mitarbeiter redigierte, schloss er die Tür.
Jetzt musste Mayer die Höllen-Pforte durchschreiten, denn das „komm rein, was hast du?“ war unzweideutig. Wieder so eine Situation, in der man stotterte wie ein Esel.
Massimo ließ seinen Spaziergang im Park weg, erfand Dutzende von Telefongesprächen, überhöhte seinen Kontakt zur Polizei, „die rechte Hand des Chefs der Mordkommission, der kommende Mann“, machte den Fehler, die Abhör-Mitschriften zu erwähnen und schloss sein Gestammel mit einem „alles in allem gibt es nichts Neues. Ich glaube, heute sollten wir auf eine Fortsetzung...“
„Verzichten“ wollte er sagen, aber da hatte sich sein Chef schon aus dem Ledersessel gewuchtet. „Spinnst du, Mayer?“
Es begann die Massimo zu vertraute Philippika, von „was seid ihr nur für laue Typen, ihr jungen Reporter“, bis: „Du bist nicht hungrig, Mayer, du bist zu satt!“
Dem war nicht so, Mayer hätte jetzt gut eine Kleinigkeit essen können. Aber ihm war klar, dass eine entsprechende Bemerkung nicht als Witz, sondern als Unverschämtheit aufgefasst worden wäre. Das konnte er sich in seiner aktuellen Lage nicht erlauben. Er senkte also den Kopf, wie es sich in diesem Büro für einen jungen Reporter ziemte, und sagte gar nichts.
„Mayer“, begann der Chef nach der Vernichtungs- nun die überlicherweise darauf folgende Aufbau-Phase, „du bist doch nicht dumm! Du hast das Zeug zu einem guten Reporter. Du musst nur mehr arbeiten und mehr denken!“
Damit war die Abteilung „Ratschläge und Aufträge“ eröffnet, wie Massimo diesen Teil der chefredaktionellen Predigten insgeheim getauft hatte. Im Klartext hieß das: Mehr Informanten suchen, die Abhörprotokolle besorgen und vorsichtige Verbindungen „nach ganz oben“ ziehen. Wer hatte ein
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