Ciao Mayer
oder auf Sardinien verschanzten, über die mittlere Management-Ebene, die in der römischen Schickeria verkehrte und ihre Vor-Dinner-Cocktails in Nobelhotels einnahm, bis hin zu den Kraftpaketen aus den Fitness-Hallen, die für die Drecksarbeit zuständig waren. Aber auch diese Gruppe musste man wieder unterteilen in mehr oder weniger dämliche Aufpasser, Schutzgeldeintreiber und...
Massimo wurde ungeduldig. „Benedetto! Bist du plötzlich blödsinnig geworden? Es geht um die Typen, die mit den Kötern herumlaufen. Ich habe es, glaube ich, schon zweimal gesagt.“
„Die“, nahm Benedetto seinen besorgten Singsang sofort wieder auf, „stehen ganz am unteren Rand der Hierarchie. Weißt du, das sind die dämlichsten und die brutalsten Kerle, analphabetische Idioten, die sind selber nichts anderes als Kettenhunde. Ich kenne einen, der hatte...“
"Hör auf! Spar Dir Deine Vorträge! Benedetto, bitte, ich will von dir im Moment eine einzige Sache wissen: Wie komme ich an die ran? Schau, morgen Abend, Freitagabend, da sitzen solche Jungs doch nicht zuhause. Wenn du sie finden müsstest, wo würdest du hingehen?“
„Ich weiß nicht, warum denn?“
„Benedetto, jetzt hör' auf mit dem Scheiß! Sagen wir acht, halb neun. Wo könnte man sie treffen?“
„Also bis sieben oder acht hängen sie meistens in der ‚Sportbar’ an der Piazza della Radio rum, weißt Du, der Laden, wo man zehn oder zwölf verschiedene Fußballspiele gleichzeitig sehen kann. Oder sie sind in der Spielhalle, am Ende des Platzes. Danach gehen sie oft, aber ich kann dir das nicht versprechen, manchmal gehen sie auch woanders hin...“
„Wohin gehen sie danach oft, Benedetto?“
„Wenn sie nicht gleich zum Essen gehen, dann gehen sie oft auf ein paar Bier in eine Bar, ich weiß nicht genau, wie die heißt, sie liegt ganz am Ende der Via Magliana. Da wo die Autobahn zum Flughafen erst ein Stück daneben und dann drüber läuft. Da sind doch viele kleinere Firmen und Lagerhallen, die Zentrale von UPS ist zum Beispiel da, kennst du die?“
„Nein, aber ich werde sie finden.“
„Hundert Meter weiter ist eine riesengroße Bar, meistens ziemlich leer. Ist ja auch klar, liegt ziemlich abseits und ist auch noch teuer. Man sieht sie von weitem, weil innen das Licht komplett blau ist. Sie schließt gegen neun. Aber Massimo...“
„Klar, Benedetto, ich pass' schon auf. Danke für die Hilfe. Ciao. Bis bald.“
So, jetzt wusste Massimo endlich auch, was ihn die letzten Minuten so genervt hatte: Er war hungrig. Extrem hungrig. Er musste jetzt schleunigst essen. Gut und viel. Nicht zu teuer. Seine Finanzen standen schon länger nicht optimal. Zu allem Überfluss musste auch noch eine neue Vespa besorgt werden.
Also: Gut, viel und billig. Bruno! Klar, er musste ein Stückchen fahren. Brunos Osteria lag im teuren Stadtviertel Parioli, in einer dunklen Nebenstraße, in die niemand per Zufall kam. Und selbst wenn jemand an der Treppentür, die ins Souterrain zu Brunos Osteria führte, vorbeiginge, würde der kaum das Lokal realisieren. Es gab nicht einmal ein Schild. Was hätte darauf auch stehen sollen? Brunos Osteria hatte keinen Namen. Er nannte sie schlicht „Osteria des Viertels“. Und Leute aus dem Viertel waren es auch, die bei Bruno aßen, bis auf ein paar Ausnahmen, die, wie Massimo, über Freunde hierher geraten waren.
Es gab immer das gleiche Angebot: Erst vegetarische Vorspeisen - Artischocken, Bohnen, Tomaten, Pilze, Auberginen, Oliven und Bruschetta mit Tomaten – danach, als Primo, drei Sorten Pasta - Spaghetti caccio e pepe, Farfalle mit Ricotta und Petersilie, Rigatoni al ragout - und schließlich, als Secondo, Fleischbällchen, kleine Schweineschnitzel und Kutteln. Alles nicht zur Auswahl, sondern Bestandteil eines Menüs, das jeden Tag gleich war. Dazu trank man weißen oder roten Hauswein.
Als Massimo schon leichtes Magen- oder Bauchdrücken verspürte, wer konnte das schon so genau unterscheiden, nahm er sich den Teller Kutteln vor. Tripa alla romana, weich und zart, in angedickter Soße.
„Ein Gedicht“, lobte Massimo.
Bruno strahlte und bot fünf verschiedene Desserts an. Massimo lehnte wehmütig ab. Aber er konnte wirklich nicht mehr. Der Wirt holte einen Zweiliter-Glaskrug mit aufgesetztem Grappa. Mit der Kelle fischte er Rosinen und Beeren heraus und ließ sie in Massimos Glas fallen. Dann schüttete er hochprozentige Flüssigkeit nach. Ein zweites Glas wurde ebenso gefüllt. Zufrieden stießen beide an.
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